Von spartanischen Köstlichkeiten, altem Adel und einer Burg
Hungrig und aufgedreht eilte Berta zurück. Endlich ein Frühstück, ging es ihr durch den Kopf. Ob Hochwürden vom Gottesdienst schon wieder zurück war, falls er doch noch gegangen ist? Doch diese Frage musste sie sich nicht mehr groß beantworten. Schon von weitem, bevor sie den Gasthof erreichte, sah sie ihn Pfeife rauchend und mit einem Buch in der Hand die Morgensonne genießen. Als Pfarrer Cornelius Berta kommen sah, stand er unverzüglich auf, um sie zu begrüßen. „Liebste Berta, schön, dass du da bist, ich habe mit dem Frühstück auf dich gewartet.“
Ein wenig ungläubig schaute sie Hochwürden an. Dann begrüßte auch sie ihn, während sie fragte, ob er denn in der Kirche gewesen wäre? Sie dachte er habe am Gottesdienst teilnehmen wollen. Hochwürden verzog seine Mundwinkel zu einem verschmitzten lächeln, während er Berta unterhakte und sagte; „ach was, das können wir immer noch tun, jetzt gehen wir frühstücken“! Als beide in die Gaststube traten waren die meisten Tische zusammengeschoben und belegt. Der Lärm stand dem vom frühen Morgen, in nichts nach. Auf den ersten Blick saßen die Gäste vor übervollen Tellern, und ständig wurde von der Bedienung und der Dame des Hauses immer noch neu aufgetragen.
Volle Brotkörbe, Sektflaschen, Eierspeisen, Lachs, Wurst, Schinken, Geräuchertes, Käse und Unmengen an Café wurden herangeschleppt. Hochwürden fand in einer der hinteren Ecken, selbstverständlich unter dem Kreuz, noch einen Platz. Immer und immer wieder wurde Nachschub an ihnen vorbeigetragen. Obwohl Pfarrer Cornelius sich zwischenzeitlich mehrmals bemerkbar gemacht hatte, wurden er vom Personal völlig ignoriert.
Gerade als die Wirtin wiederholt an ihnen vorbeischoß, erneut in der einen Hand eine volle Platte mit Eierspeisen und in der anderen auf einem Silbertablett den Lachs angerichtet, stand Berta auf und ging auf sie zu. Die Dame des Hauses erschrak so sehr, dass sie stolperte und der Lachs beinahe im hohen Bogen irgendwo im Raum gelandet wäre. Natürlich stellte sich Berta das jetzt auch noch vor, wie so ein guter Lachs den Fußboden geküsst hätte. Sie musste schmunzeln, erregte damit natürlich erneut den Zorn bei der Wirtin.
Das Buffet im Nebenraum war so stark geplündert, dass Hochwürden und Berta sich schon deswegen ans Personal wenden mussten, um überhaupt noch ein Frühstück für sich zu bekommen. Also erklärte Berta mit wenigen Worten, der Dame des Hauses, dass sie ein weiches Ei, einmal Rühreier, Café, Brot, etwas Marmelade und Butter möchten. Wer nun glaubt das wäre so einfach möglich gewesen, der hatte sich geirrt. Pfarrer Cornelius und Berta warteten vergebens auf ein Frühstück und mussten mehrere Male nachhaken, bevor so nach und nach, schleppend sie das ein und andere an ihren Tisch bekamen. Endlich, eine Kanne Café, natürlich wie könnte es auch anders sein? Frisch vom Nachbartisch der noch übrig geblieben war und dazu kalt. Die zwei Brötchen hatte Frau Wirtin ebenfalls kurzerhand vom inzwischen frei gewordenen Nebentisch bei Hochwürden abgestellt. Rührei, fünf Minuten Ei, Marmelade und Butter fehlten noch immer.
Jetzt hatte Berta endgültig die Schnauze voll, wie man so schön sagt. Sie rief ganz laut durch den von den restlichen Gästen besetze Gaststube: „Zum Donnerwetter, werden hier nur bevorzugte Gäste bedient, oder gibt es bereits schon seit 8.30 Uhr kein Frühstück mehr? Oder muss man ernsthaft selbst in die Küche gehen und sich sein Frühstück zubereiten“? In der Gaststube war es plötzlich mucksmäuschenstill geworden. Die Gäste begannen zu flüstern und beäugten Berta etwas seltsam. Doch die kleine Rebellion zeigte auch schon bald Wirkung. Nach wenigen Minuten kam die restliche noch fehlende Bestellung. Das Gesicht der Wirtin war wie versteinert und man merkte ihr an, dass diese Herrschaften, Hochwürden hin oder her, ihr nicht genehm waren. Zwischenzeitlich hatten Hochwürden und Berta beschlossen, das spartanische und lieblos servierte Frühstück schnellst möglichst zu beenden, schleunigst das Weite zu suchen und unterwegs anderweitig noch nach etwas Essbarem zu schauen, vor allem aber nach einem genießbaren Café.
Sie beschlossen sich den Tag nicht noch mehr vermiesen zu lassen und statt dessen einen Fußmarsch auf Burg Gößweinstein zu machen. Unterwegs erklärte Berta ihrem Hochwürden, welch einen Reinfall sie bereits bei ihrer Ankunft am gestrigen Tag im „Heiligen Stern der Könige “ erlebt hatte. Das mit ihrem Zimmer kam ebenfalls zur Sprache. Sie redete sich wieder richtig in Rage; so dass Pfarrer Cornelius Bedenken kamen, sie könne sich nicht mehr beruhigen. Doch heute bereitete ihm das Temperament von Berta wenig Sorge. Schließlich war er im Urlaub und Berta würde sich schon wieder beruhigen. Was er aber nicht bedachte war, dass vielleicht die eine und andere unliebsame Angelegenheit im Gasthof noch auf sie warten sollte. Und oh, gütiger Himmel….
Nur nicht weiter spekulieren. Stattdessen essen lieber den Tag geniessen und vor allem die schöne Aussicht von der bürg aus und das Innenleben derselben. Berta wollte unbedingt sich dahin Eintritt verschaffen und überredete Hochwürden ihr gleichzutun.
Das gesamte Burgareal betritt man vom Ort aus, über eine kleine Straße, an der einige der Häuser teilweise in den Fels hinein eingehauen waren. Zunächst kam ein steiler Anstieg bis zur Spitzkehre der ehemaligen Vorburg. Von der ist heute nur noch ein Plateau übrig geblieben. Weiter geht es hinauf zur heute noch erhaltenen Kernburg. Dann kamen schon die ersten Stufen, das erste Tor und der mittlere Vorhof.
Neben der dort eingerichteten, provisorischen Burgschenke wurden Berta und Hochwürden von einigen am Tisch sitzenden Gerippen empfangen. Außer einer Flasche Wasser und dem obligatorischen Frankenbier, ebenfalls aus der Flasche und natürlich den Eintrittskarten, um in die Burg zu gelangen, gab es nichts. Schitt…. dachte Berta Wilhelmine, die inzwischen von einem mächtigen Hunger und ein wenig von Morgenkopfschmerzen geplagt wurde. Ihren morgendlicher Espresso vermisste sie schon sehr. Doch es half alles nichts, da musste sie nun durch.
Pfarrer Cornelius setzte sich auf einen der alten Stühle im Vorhof, nahe der Gespenster um ein wenig auszuschnaufen. Es sah zum schreien aus, wie Hochwürden neben den Gerippen in den Stuhl gesunken war.Er war schlichtweg ein wenig erschöpft. Berta konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als sie das Bild so betrachtete und der Pfarrer lachte herzhaft mit, denn er konnte sich gut vorstellen, wie das aussah und was für eine Figur er machte. Andere Besucher die ihn dort sitzen sahen, lachten ebenso. Sollen sie nur, dachte Hochwürden, das bin ich gewohnt, dass man über mich lacht, da lache ich einfach mit. Das Tempo beim Aufstieg, das Berta vorgelegt hatte, war für Hochwürden schon mächtig anstrengend gewesen, er konnte kaum nachkommen. Sich ein wenig auszuruhen und etwas zu trinken kam ihm gerade recht. Berta Wilhelmine hatte wenig Lust schon eine Pause einzuplanen, zumal es nichts essbares und schon gar keinen Espresso für sie gab. Und so erklärte sie, dass sie lieber weiter nach oben gehen und sich die Burg und die Innenräume ansehen wolle. Na, dann solle sie mal vorgehen, meinte Hochwürden. Er käme auch gleich.
Oh ja, was Pfarrer Cornelius damit meinte wusste Berta nur zu Gute. Gedanklich richtete sie sich schon mal auf einen gemütliche und längere Besichtigung der Burg ein. Mit einer Eintrittskarte bewaffnet folgte sie den anderen Besuchern über die Treppe in den oberen Burghof. Eine Tafel mit einigen Kurzinformationen über die Burg fesselte ihre Aufmerksamkeit. Die mittelalterliche Gipfelburg 100 m oberhalb des gleichnamigen Ortes auf einem steilabfallenden Jurafelsen wurde 1076 erstmals urkundlich erwähnt, wie man hier nachlesen konnte. Ende des 18. Jahrh. kam die Burg in Privatbesitz und seit dieser Zeit, nach mehrfachen Umbau Maßnamen hat sie ihr heutiges Aussehen erhalten. Noch einige Informationen und Namen zur Gründung und dem Adelsgeschlecht, doch darüber wollte sie nun nichts mehr lesen.
Während Berta noch über den Innenhof schlenderte und hinunter ins Tal blickte, tauchte bereits Hochwürden auf. Was war das denn? Hatte er sich nun doch schneller von seinem Hopfensaft trennen können? Es geschehen noch Zeichen und Wunder murmelte sie vor sich hin. Pfarrer Cornelius hatte sich vorgenommen Berta Wilhelmine etwas mehr, als am Aushang zu lesen war, über die Geschichte der Anlage zu erzählen. Und das fiel ihm ein, während er sich zwischen den Gerippen unten in der sogenannten Freiluft Hofschenke an seinem Frankenbier gütlich tat. Belesen und natürlich auch informiert durch vorherige Reisen, die er schon des Öfteren in die Fränkische Schweiz unternommen hatte, konnte er der interessierten und neugierige Zuhörerin Berta schon einiges vermitteln.
Das für Berta wichtigste Detail war, dass die auf einem auslaufenden Bergrücken hoch über dem Markt gelegene Anlage möglicherweise Richard Wagner als Vorbild für die Gralsburg in Parsifal diente. Das ist vermutlich eine Legende, doch sollte dies der Wirklichkeit entsprechen, könnte man beinahe selbst daran glauben, wenn man unter der Burg steht. Berta war begeistert von dieser Vermutung, denn Musikbegeistert wie sie ist, wäre das sicherlich einmal eine Reise wert, in Bayreuth einer Aufführung „Parsifals“ beiwohnen zu können.
Nun aber sollte es ins Innere der Burg gehen. Mal sehen was aus der Zeit des fränkischen Adels noch übrig geblieben war? Da die Burg als Bayrisches Baudenkmal gilt und gleichzeitig eine Imposante Siluette mit einem gut erhaltenen Wehrturm hat, der bis weit ins Tal sichtbar ist, genießt sie eine besondere Stellung unter den vielen Burgen im Fränkischen.
Die Anlage selbst ist von ihren Erbauern gut durchdacht gewesen und war deswegen schwer einsehbar. Heute beherbergt sie ein Museum das möblierte Innenräume enthält. Unter anderem kann sie schöne Wand- und Deckenmalereien aufweisen. Beeindruckend sind die noch gut sichtbaren Farben, die Holztäfelung an den Wänden und auch der Steinfußboden.
Im Hof befindet sich ein 40 Meter tiefer Brunnenschacht. Dieser war als Zisterne genutzt worden, um Regenwasser zu speichern. Neben dem Brunnen befindet sich der Haupteingang. Direkt neben dem Treppenaufgang gelangt man ins romantische Zimmer. Das Zimmerchen ist klein und es riecht schrecklich modrig, wie eben in alten Burgen, denkt Berta. Verschmitzt meint sie zu Hochwürden, „das wäre doch eine geeignete Amtsstube für sie“…… Hier sieht man sogar neben dem Tisch noch einen Lutherstuhl von 1525, den Vorgänger heutiger moderner Klappstühle“. Hochwürden ignorierte ihre Ansage. Während sie weiter in die nächsten Zimmer gingen, erklärte Hochwürden Berta die Zusammenhänge zwischen Kaiser Heinrich IV und den Bamberger Bischöfen.
Verwicklungen mit dem Bischof aus Bamberg, der Kaiser Heinrich IV im Sachsenkrieg in dieser starken Befestigungsanlage inhaftieren lies, mehrere Zerstörungen im Bauern- und Markgrafenkrieg hinderten immer wieder die Besitzer am Wiederaufbau. Solange die Burg besteht ist sie immer in Privatbesitz geblieben. So ist auch nicht weiter verwunderlich, dass sich neben der Kapelle ein Burgverlies befindet. Denn bei den zurückliegenden Besitzverhältnissen, wurde kein Hehl daraus gemacht, dass bei Gegenrede und Zuwiderhandlungen von den Burgherren kurzer Prozess gemacht wurde.
Das ehemalige Burgverlies, ein Tonnengewölbe von 8 Metern das in den Felsen gehauen wurde, wo sich noch heute Totenschädel befinden sollen, eine gruselige Angelegenheit, wie Pfarrer Cornelius Berta erklärte, hinterließ bei ihr ein eigenartiges Gefühl. Au weia… wie schrecklich, spottete Berta, um die gruselige Vorstellung die sie dabei hatte zu verbergen. Hochwürden lächelte nur und fuhr fort. Der Zugang dorthin erfolgt durch ein kleines Loch, das hier in der Mauer noch zu sehen ist. Dann gingen die Beiden weiter zum Steingang.
In der Burgkapelle mit Sakristei sind wundervolle Wandmalereien und Fresken im Stil des 15.Jahrhundert erhalten, hörte Berta nun wieder Pfarrer Cornelius Stimme hinter sich. Selbst die Deckenbalken wurden aufgemalt. Diese Bemalung wurde erst um 1890, als die Burg in den Besitz des Freiherrn von Sohlern kam, der die Anlage im neugotischen Stil umgestalten lies, so bemalt. Betritt man anschließend den schmalen Flur, sind dort zahlreiche Geschütze, Waffen, sowie eine Anzahl Rüstungen aufgestellt. Von hier aus geht es auf den Turm. Leider war an diesem Tag der Aufgang gesperrt. Am Turm vorbei, befindet sich auf der anderen Seite die Kemenate.
Das Burgzimmer ist im Stil des Mittelalters eingerichtet und bietet dem Besucher einen ungefähren Einblick in das Leben der damaligen Zeit. Berta fand das nicht so spannend, denn sie dachte an die armen Zofen und Bediensteten, die hier den hohen Herrschaften dienten. „Bin ich froh“, sagte sie zu Hochwürden, „damals nicht gelebt zu haben. Wenn ich mir die viele Arbeit vorstelle und dann der schrecklich modrige Geruch der hier in der ganzen Burg sich breitgemacht hat,……. „bist du doch lieber im Pfarrhaus“, ergänzte Hochwürden scherzhaft. Berta schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und ging am Pfarrer vorbei nach draußen.
Vom anschließenden Garten hatten sie einen herrlichen Blick auf den Ort und die Basilika. Ringsum im gesamten Burgareal waren Sitzplätze und Blumenkübel aufgestellt. Hochwürden und Berta schlenderten durch den Burghof. Der Blick in die Ferne war überwältigend. Dann traten sie den Rückweg zur „Freiluft -Burgschenke“ an, um der illustreren Runde von Gerippen, bei Wasser und Frankenbier noch ein wenig Gesellschaft zu leisten.
Inzwischen war es mächtig warm geworden und das hatte ihren Durst nur noch verstärkt. Während der Erfrischung im Burghof beratschlagten sie wie sie den Tag weiter gestalten wollten. Es gab ja noch so viel zu sehen, warf Hochwürden ein. Dann begann er einiges aufzuzählen. Doch Berta hörte ihm nicht mehr zu. Sie begann ihre Augen zu schließen, während sie über die Kopfhörer ihres Smartfons herrliche Musik hörte.
Die Erlebnisse des vergangenen Vormittags hinterließen einen großen Eindruck bei Berta Wilhelmine. Nun konnte nur noch eine herrliche Mittagspause mit einem leckeren fränkischen Gericht, „Knödel mit Soß“ das ganze tobben. Was der Nachmittag bringen würde war bei dem leckeren Gericht jetzt nicht mehr wichtig. Doch der Tag war noch jung und bald ging es auf die nächste Erkundung in der Fränkischen Schweiz.
PS: Vielen Dank für das Überlassen einiger Bilder für meinen Beitrag. Weitere Bilder zu der Bürg Gößweinstein sind auf der nachfolgenden Blog Adresse zu finden.
facile et beau – Gusta