Reisebeginn und Landregen
Das Auto war fertig gepackt. Den beiden Eminenzen hatte Berta noch für die nächsten Tage einen Topf Gulaschsuppe gekocht. Sie wollte nicht, dass die Herren verhungern. Die Abschieds Zeremonie für die Zuhause Gebliebenen war kurz und schmerzlos. Berta Wilhelmine wollte nur noch weg; sich auch für keine anderen Alltäglichkeiten mehr einspannen lassen. Ihre Freundinnen warteten sicherlich schon. Bevor sie sich auf den Weg in die Fränkische Schweiz machte, fuhr sie zuerst nach Baden-Baden.
Normal treffen sie sich einmal im Jahr für zwei oder drei Tage, gehen zusammen ins Festspielhaus, oder zu Ausstellungen im Frieder Burda Museum feiern ein Wiedersehen bei gemeinsamen Essen und wenn alles so läuft auch oft mit einem besonderen Einkaufsbummel. ihnen wie immer einige schöne Stunden mit gemeinsamem Essen, einem Konzertbesuch und vielen Gesprächen verbringen.
Leider konnte Berta in diesem Jahr nur eine Nacht bleiben, da sie ja ihren Dienstherrn auf die Wallfahrt begleiten musste. Sie war ein wenig sauer über diese Tatsache, aber es half nichts. Wie heisst es doch so schön Dienst ist Dienst, leider aber gab es keinen Schnaps, sondern nur etwas mehr Arbeit in diesen Tagen im Frankenland.
So in ihrem Gedanken gefangen genoss Berta die eine begeisterte Autofahrerin war, endlich wieder einmal alleine unterwegs zu sein, zeit mit der alten Clique zu verbringen, bummeln, einkaufen, sich bedienen zu lassen und endlich die Eminenzen mit ihren manchmal schrulligen Forderungen hinter sich lassen zu können. So ein Männer Haushalt ist nicht immer ganz einfach zu ertragen, dachte sie während sie den Schwarzwald erreicht hatte.Vergessen waren die Strapazen der letzten zwei Wochen, in denen sie sich mit den verschiedensten Dingen von Hochwürden herumschlagen musste. Nebenbei die Reisevorbereitungen für Pfarrer Samtleben zu treffen und gleichzeitig auch für den im Pfarrhaus zurückgebliebenen Stellvertreter die notwendigen Vorkehrungen zu erledigen.
Alle Gedanken drehten sich endlich um das bevorstehende Treffen und Hochwürden war inzwischen weit, weit weg, sehr weit weg. Der Gedanke, dass er in den nächsten Tagen seine Dinge selbst erledigen musste, die Reise alleine antreten, letzte Vorbereitungen selbständig in seinem Aufgabenbereich lagen, befriedigte sie ungemein. Das hatte sie ihm abgetrotzt, für seine voreilige Entscheidung, sie einfach für die Wallfahrt einzuplanen, ohne zuvor überhaupt mit ihr darüber geredet zu haben. Dabei konnte der „gute Herr Pfarrer“ sicherlich alleine zurechtkommen, auch auf einer Reise. Sie kannte ihn nach den vielen Jahren, in denen sie in seinen Diensten stand, gut genug.
Er ein liebenswerter Sonderling, wie sie ihn oft nannte, hatte wie wir alle seine guten, aber auch kritischen Momente. Doch Hochwürden von Haus aus eher zu der etwas bequemeren Kategorie gehörend, wenig Lust sich mit Alltäglichkeiten zu beschäftigen und außerdem hat er, wie Berta immer zu seinem „Hilfsfeuerwehrmann“ sagt, für alles zwei linke Hände. Cornelius von Samtleben glaubt von sich selbst, viel zu viel- natürlich geistig, zu Arbeiten. Deswegen, so er, muss man sich nicht mit niedrigen Arbeiten, wie Hochwürden Tagesabläufe bezeichnete, beschäftigen. Seine Einstellung, für was hat man Personal. „Naja, lassen wir Hochwürden seine Freude und kleinen Facetten,“ denkt Berta, während sie gemächlich weiterfuhr, denn der Regen hatte inzwischen heftig zugenommen. Das zusätzlich große Verkehrsaufkommen tat sein übriges und sie hatte sich schon ein wenig verspätet. Die anderen werden bestimmt schon warten, dachte sie noch, aber es wird schon.
Erstmal den nächstgelegenen Rasthof ansteuern, um eine Kleinigkeit zu essen, eine Tasse Café zu nehmen, das ist auch gut für die aufkommende Müdigkeit, die sich durch das einerlei des Scheibenwischers ihrer bemächtigte, so ihre Überlegungen. Keine Küchenarbeit, welch ein Glück, sich an den gedeckten Tisch zu setzten, das ist doch eine tolle Sache, dachte sie, nachdem sie sich eine herzhafte Portion Spagetti Pesto geholt hatte.
Frischgestärkt trat sie die Weiterfahrt an. Wie hätte es auch anders sein können, bei richtigem „ Sauwetter“ über den Schwarzwald zu fahren, war nicht gerade das Gelbe vom Ei. Wie war doch gleich der Spruch von Bertas“ Tante Frieda? „Wenn Engel reisen, ……lacht der Himmel“. Und er lachte heute wirklich. Er lachte im wahrsten Sinne des Wortes Tränen, das hatte zur Folge, dass weiterhin ständig der Scheibenwischer vor ihren Augen hin und her huschte. Wie aus Alices Wunderland tauchte endlich die nächste Rastanlage auf.
Jetzt war eine Tankfüllung angesagt und natürlich die nächste kurze Espresso Pause. Das gehörte für Berta immer zusammen. Oh, das tat gut! Ausgerechnet heute musste so ein Schnürsenkel Regen ihr die Fahrt erschweren, schoss es ihr wieder und wieder durch den Kopf, als sie etwas durchnässt, zurück ins Auto stieg. „Das wird noch lustig werden bis ich endlich in nach Baden-Baden ankomme“.
Durch Freiburg lief alles wie geschmiert, sogar ohne Stau. Was war denn das? Oh Wunder, kaum auf der A5 und der Regen hörte tatsächlich auf, und plötzlich blinzelte die Sonne zwischen den Wolken durch. Wie herrlich! Leider ging es nur schleppend weiter in Richtung zu ihrem Ziel. Irgendwann hatte Berta es dann doch geschafft. Sie stellte ihr Auto gleich in der Tiefgarage ab, denn ab jetzt machte sie alles nur noch zu Fuß. Auf dem Weg, durch die über und über mit Rosen bepflanzte Gönneranlage, ging es zuerst in Richtung Fremersberg.
Auf den nassen Blättern und Blüten glänzten noch die letzten Regentropfen im Abendlicht. Welche Freude alle die Freunde wiederzusehen. Der ganze Clan wartete schon auf Berta und dann marschierte sie in die Stadt zum Abendessen. Es wurde ein langer Hock. Viel gab es zu erzählen, viel zu lachen und eine Menge neuer Pläne wurden geschmiedet, für das nächste Treffen. Doch jetzt husch, husch in die Heia! Morgen sollte Berta Wilhelmine gut ausgeschlafen sein, wenn sie das nächste Etappenziel antrat.
Freitag, „freier Tag“! Herrlicher Sonnenschein weckte sie schon vor 7.00 Uhr. Sie hatte sich nochmals für ein gemeinsames Mittagessen mit den Anderen verabredet, bevor sie weiterfuhr. Alle bedauerten sehr, dass sie diesmal nicht bleiben konnte. Aber vor dem Mittagessen ging Berta die neuesten Kreationen in den Modehäusern ansehen und nach dem ein und anderen Schnäppchen zu suchen. Ein paar hübsche Kleinigkeiten hatte sie dann doch noch gefunden und mit zwei großen Tüten bewaffnet traf sie im Traditions- Café König ein, wo die Freundinnen sie bereits erwarteten.
Das Navi schlug die Route Pforzheim- Stuttgart vor. Doch so ein richtiges Vorankommen war es nicht. Bei Pforzheim war der Stau endlos und sehr unübersichtlich. Kurzerhand fuhr Berta von der Autobahn ab. Ihre Route stellte sie ab sofort selbst zusammen. Sie hatte ja genügend Zeit für die Fahrt eingeplant. Eine Übernachtung unterwegs wollte sie noch machen. Niemand erwartete sie. Das war herrlich! Natürlich würde Hochwürden sich erkundigen ob sie bereits in der Fränkischen Schweiz angekommen war. Doch das hatte Zeit.
Weiterfahrt ins „Frankenland „
Zuerst ging es durch Maulbronn, vorbei am Kloster, dann weiter bis Heilbronn. Diese Gegend war Neuland für Berta. Sie war schon viel herumgekommen und hatte manche herrlichen Gegenden bereist, aber diese Ecke von Baden- Württemberg war ihr fremd. Auch hier herrschte großes Verkehrsaufkommen und mehrere Autofahrer wollten ebenso wie sie, den Stau weiträumig umfahren. Stau hin oder her, wenigstens lief es. Immer und immer wieder wurde die Fahrt durch starke Gewitter und Regengüsse unterbrochen, bei denen Berta sich an den Straßenrand stellen musste, um die Wolkenbrüche abzuwarten. Teilweise waren die Straßen schrecklich überflutet.
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Vor allem die LKW die aus den Östlichen Ländern kommen, sind ein Problem. Die meisten Fahrer meinen die Straßen, aber besonders die Autobahnen gehören ihnen allein. Mit den schweren Lastern donnern sie teilweise auf der Standspur in einer nicht zu unterschätzenden Geschwindigkeit an den anderen Autofahrern vorbei. Auch halten sie sich meist nicht an Verkehrsregeln. Verbote gibt es für sie so gut wie nicht. Also, heißt es für die restlichen Verkehrsteilnehmer sich einreihen, aufmerksam sein, damit man nicht zwischen die Fronten, oder besser gesagt, unter die Räder gerät.
Zwischen Gewitter, Sturm und starken Regengüssen, mehreren Pausen auf den verschiedensten Parkplätzen und Raststätten, so zottelte Berta weiter. Gerade dachte sie in Aurich anzuhalten. Aber während sie überlegte, war sie bereits schon vorbeigefahren. Raststätte Frankenhöhe kam als nächstes. Jetzt aber musste sie sich blitzschnell entscheiden, wie weit sie heute noch fahren wollte, denn schließlich sollte sie noch ein Nachtquartier finden. Ansbach! Schnell die Ausfahrt nehmen und hier eine Übernachtung suchen. Doch Berta hatte die Rechnung ohne den Wirt oder besser ohne die Hotels gemacht. Eine unfreiwillige, Stadtrundfahrt, machte sie ganz kirre. Weit und breit kein Gasthof in Sicht, geschweige ein Hotel und auch keine Parkplätze. Mist! großer Mist, absoluter Mist, schimpfte Berta vor sich hin.
Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als noch einige Kilometer weiterzufahren. Der nächste Ort 10 km östlich von Ansbach war Lichtenau, im Tal der Rezat. Der Markt wie im Fränkischen die Ortschaften genannt werden, lag direkt an der Burgenstraße in Mittelfranken. Die einheimischen nennen ihren Ort „Licht“. Lichtenau selbst hat gerade mal 3000 Einwohner.
Mit einer Spätbarocken Kirche die um 1724 erbaut wurde, einer mittelalterlichen Wasserburg, der Festung Lichtenau, ein Glanzstück der Renaissancebaukunst, einer Außenstelle des Stadtarchiv Nürnberg, ist der Ort gar nicht so unscheinbar, wie es zunächst aussieht. Die Festung eine ehemalige Wehranlage der Nürnberger Burgherren, war viele Jahre ein Gefängnis. Anfang der 80iger Jahre wurde die Festung dann umfassend saniert.
Erstmals wurde der Ort um 1246 Urkundlich erwähnt, als ein Stauferscher Reichsvogt das Schloss seiner Gemahlin vermachte. Nach vielen Schenkungen, Übergaben, Erbfolgen und Kriegen, sowie der Zerstörung des Marktes, kommt es zu einem Tausch zwischen der Reichsstadt Nürnberg und dem Fürstentum Ansbach. Plünderungen und Brände richteten am Schloss großen Schaden an. Dann begann Nürnberg mit dem Wiederaufbau um 1558. Es folgt die Ummauerung die bis heute noch zu sehen ist.
Auf der Suche nach einem Nachtquartier umrundete Berta einige Male Lichtenau. Sie kam an der Ringmauer und am Schloss vorbei. Vom Wassergraben war nicht mehr viel zu sehen. Ringsherum war alles sehr sumpfig. Sie fuhr die Dorfstraße weiter, bis zu einer Kurve beim Feldkreuz, dann ein Stück die Ausfallstraße in Richtung Waldviertel und Friedhof.
An der Straße stand ein älterer etwas vereinsamter Gasthof. Jetzt oder nie, man muss es einfach mal versuchen, sagte sich Berta. Sie hielt an, stieg aus. Während sie auf die Eingangstüre zulief, überlegte sie noch, ob hier wohl geöffnet wäre. Es sah alles so verlassen aus. Die alte schwere Türe knarrte verdächtig. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch fiel sie ins Schloss, gerade als sie die Gaststube betrat.
Zwei ältere Männer die am Stammtisch saßen unterbrachen sofort ihr Gespräch und beäugten Berta neugierig. Berta grüßte die Anwesenden, die jedoch überhaupt nicht reagierten nur sie weiterhin anstarren. Sie ging an die Theke und fragte die Bedienung, die gerade völlig lustlos ein Bier zapfte, ob sie für eine Nacht, ein Zimmer bekommen könne.
Die Frau musterte Berta eingehend. Ohne ein Wort zu sagen, hob sie völlig unbeteiligt ihren Kopf in Richtung des Stammtisches. Damit wollte sie signalisieren, Berta solle die Männer ansprechen. Berta trat an den Tisch und wiederholte ihre Frage. Die beiden Männer blickten sie lange an. Plötzlich wie aus der Pistole geschossen, sagte einer der Beiden im tieffränkischen Dialekt: „ Ein Zimmer wollen sie, für wie lange?“ „Eine Nacht“ antwortete Berta. Langes Schweigen. Der Mann offensichtlich der Wirt, polterte in Richtung Bedienung los: „Paula, Schlüssel!“ Damit war fürs erste die Konversation beendet.
Minutenlang bewegte sich nichts. Die Frau wischte mit ihren Händen weitere male über ihren Bauch, bevor sie gemächlich eine der vielen Schublade aufzog, um dann wortlos, grimmig dreinblickend, Berta den Schlüssel hinschob. So wie es aussah, war Berta Wilhelmine wohl der einzige Übernachtungsgast.
Endlich kam wieder Leben in die Gaststube. „Sie bezahlen aber jetzt sofort“, mahnte der Wirt. Gleich hinterher meinte er noch € 55,- für die Nacht aber ein Frühstück bekommen sie nicht. „Das können sie nicht erwarten, erklärte er ein wenig umständlich, „da stehe ich noch nicht auf. Wenn sie was brauchen, oder wollen, dann müssen sie schon in den Ort gehen“. Eine lange Pause, dann setzte er noch nach, vorne an der Kreuzung sei eine Bäckerei, da können sie sich ja ein Frühstück bestellen. Berta legte wortlos das Übernachtungsgeld auf den Tisch. Den Schlüssel, meinte der Wirt noch abschließend solle sie, wenn sie morgen früh gehe von innen in der Haustüre stecken lassen. Damit war für ihn alles gesagt und Berta entlassen. Zögerlich blieb sie noch einen Augenblick stehen, da sie nicht wusste wo das Zimmer in dem sie nächtigen sollte zu finden war. „Was gibt’s noch“, erklang erneut die polternde Stimme des Wirts, diesmal ein wenig mürrischer. Ihm dauerte das alles schon viel zu lange und machte viel zu viele Umstände. Berta, jetzt ein wenig ungehalten, fragte nur wohin sie gehen sollte um das Zimmer zu finden. „Treppe hoch gleich links, erste Türe, zählen werden sie ja noch können?“ Das waren die letzen Worte die ihr der Wirt noch nachrief, bevor die Türe der Gaststube ins Schloss fiel.
Mit kleinem Gepäck stieg Berta die knarrenden Stufen nach oben. Das Licht im Treppenhaus war eine absolute Funzel. Gleich bevor sie das erste Zimmer neben der Treppe gefunden hatte, stolperte sie erstmal über einen zusammengerollten Teppich. Im Halbdunkel hatte sie ihn zunächst gar nicht gesehen. Das Türschloss klemmte ein wenig. Langsam wunderte sie sich über nichts mehr. Das Zimmer war sehr einfach, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, aber es war heruntergekommen wie das gesamte Haus. Sauberkeit war hier offensichtlich ein Fremdwort und der Wirt ein absoluter Stinkstiefel. Alles passte gut zusammen. Berta, normalerweise eine beherzte Person, vor nichts Angst, aber diesmal war ihr nicht ganz wohl bei dem Gedanken, die Nacht alleine in dem großen, fremden Haus verbringen zu müssen. Auch waren der Haustürschlüssel und das Türschloss aus dem vorigen Jahrhundert und beides nicht gerade vertrauenserweckend. Kurz spielte sie noch mit dem Gedanken weiter zu fahren. Doch sie war so entsetzlich müde, dass sie den Einfall schnell wieder verwarf. Wird schon alles gut gehen, dachte sie während sie sich fürs Bett zurecht machte. Kurze Zeit später, als sie sich bereits schon abgelegt hatte, hörte sie, wie die drei die Wirtsstube und gleich darauf das Haus verließen. Oh je Gute Nacht!
Der frühe Vogel fängt den Wurm. Berta war so ein früher Vogel und heute besonders. Einmal wollte sie unbedingt möglichst bald weiterfahren und den Tag in vollen Zügen genießen, zum anderen war es langsam an der Zeit dieses schreckliche Haus zu verlassen. Es dauerte nicht allzu lange bis sie mit der Morgentoilette fertig war, die wenigen Utensilien die sie für die Nacht gebraucht hatte waren schnell eingepackt als sie kurz vor 7:00 Uhr das sonderbare Nachtquartier verließ. Sie war die Nacht in diesem alten Gemäuer völlig allein gewesen. Beherzt nahm sie ihre sieben Sachen, verließ das Zimmer und stapfte die knarrenden alten Stufen in dem düsteren Treppenhaus hinunter. Nicht einmal ein Licht konnte sie machen. Nirgends war ein Lichtschalter zu finden. Um die alte Stiege unbeschadet hinunter zu kommen, holte sie ihren Schlüsselbund hervor, daran war eine kleine Taschenlampe. Alles ging äußerst langsam und war geradezu unheimlich. Bis endlich der Schlüssel in dem alten Haustürschloss steckte und sie ihn wie vereinbart dann im Schloss stecken lassen konnte, war ihr ganz warm geworden. Sie trat ins Freie, setzte sich ins Auto und fuhr ohne sich noch einmal umzudrehen eilig weg.
Im Ort gab es einen Supermarkt mit einer guten Bäckerei, der einen hervorragenden Café hatte und die Butterbrezel war auch nicht von schlechten Eltern. Berta bestellte gleich noch eine zweite, dann noch eine Flasche Wasser zum Mitnehmen. Sie war richtig hungrig, nachdem das gestrige Abendessen, wie das eines Bettlers gewesen war. Die Bäckerin, eine nette äußerst redselig Frau, wollte gleich von Berta wissen woher sie komme und wohin sie wollte. „Das ist ja schön“, meinte sie. „Dann fahren sie einfach mal da vorbei und dort biegen sie ab und wenn sie gerade aus weiterfahren an der nächsten Kreuzung, dann sind sie auf dem richtigen Weg nach….. Aber sagen sie“, fragte sie neugierig Berta, „wo haben sie denn heute Nacht geschlafen?“ Als Berta ihr berichtete wo sie untergekommen war, schlug die Bäckerin die Hände über dem Kopf zusammen. “ Um Gotteshimmelswillen rief sie!“ Voller Entsetzen musste sie das Gehörte gleich der nächsten Kundin an der Theke weitererzählen. Dann ging alles Schlag auf Schlag.
Die beiden Damen bedauerten zuerst einmal überschwänglich Berta und ihr Missgeschick in diesem finsteren Loch, wie die Bäckersfrau sagte, nächtigen zu müssen. Wie schrecklich, dass der alte Stinkstiefel von Wirt ihr ein Zimmer angeboten hatte für so viel Geld und das ohne Frühstück. Der Gasthof sei schon lange geschlossen, erklärten sie . „Da gibt es doch nur noch Mäuse,“ meinte eine der Damen. Sie bedauerten Berta noch eine Weile, erzählten von dem heruntergekommenen Gasthof, der früher eine Perle für die Gemeinde war. Dort gab es das Beste essen, weit und breit. Aus dem ganzen Umkreis kamen die Gäste. Alle wichtigen Feste, Hochzeiten, Geburtstage und Beerdigungen wurden im Gasthof oder im herrlichen Biergarten hinter dem Haus gefeiert. Und heute ist alles vorbei, jammerte die Bäckersfrau.
Endlich war Berta mit ihrem Frühstück fertig und die Bäckerin packte ihr, noch eine weitere Brezel ein, damit sie unterwegs nicht verhungere, wie sie lachend meinte. Dann wünschten die beiden Frauen Berta eine gute Reise und sie solle doch unbedingt wiederkommen. Sie könne dann bei ihr in der Bäckerei nach einem Privatzimmer fragen. Die Leute wären hier alle sehr nett und die Unterkünfte preiswert und schön.
Nun konnte Berta die Weiterfahrt antreten. Wie die Bäckersfrau ihr vorgeschlagen hatte, nahm sie die Landstraße um die Gegend noch etwas besser kennenzulernen. Es ging über Neuendettelsau, vorbei an Kammerstein, Schwabach über Feucht, direkt bis nach Hersbruck. Das hatte sie sich schon mal auf der Landkarte während des Frühstücks angesehen. Solche Streckenführungen machte Berta viel lieber mit der Karte. Die vorprogrammierten mit dem Navi, mochte sie nicht so besonders. Kleinere Straßen, nette Ortschaften und Gehöfte wollte sie selbst finden und kennenlernen. Dabei konnte man so viel Neues entdecken und sich zwischendurch mal ein wenig entspannen, weil der Verkehr auch gemächlicher lief. Die Landstraße führte sie wie schon zuvor angesehen, durch alle diese Orte die sie ausgesucht hatte und in Hersbruck war die nächste Rast, geplant, , vielleicht sogar mit einem Mittagessen. Danach ging es weiter in Richtung Veldensteiner Forst bis zu ihrem eigentlichen Ziel, dem Wallfahrtsort Gößweinstein.
Zum Abschluss dieser Etappe erstmal ein Zitat von Fürst Pückler-Muskau, der treffender das Gebiet nicht hätte beschreiben können. 1834 schrieb er folgende Anmerkung an das damaligen Touristenzentrum in Muggendorf :