Es drängt mich sehr diese Geschichte aufzuschreiben, obwohl sie „top secret“ ist.
Jeder, der diese nachfolgenden Zeilen weiterliest, verpflichtet sich hiermit, den Inhalt nicht weiter zu geben. Niemandem, natürlich auch an sich selbst nicht ! Also quasi muss er sie wieder vergessen.
Versprochen ? Versprochen !
Es ist mir so unverständlich, warum und wie sich das Ereignis zugetragen hat, dass ich hoffe, es mit der Niederschrift auch besser verarbeiten zu können.
Um sie mir selbst und dem Leser einigermaßen verständlich zu machen, bedarf es gewisser Vorkenntnisse und Erklärungen. Allerdings ist mir dieser Vorgang trotzdem immer heute noch unerklärlich.
Es begann so: Eine Vespatour mit meiner Vespa, Baujahr 1962, führte mich über die Alpen an den Comersee und weiter an den Gardasee. Bei bestem Wetter startete ich die Tour und bei aller Freude schwang auch immer die Sorge mit, würde meine Vespa, ich habe sie Colombine getauft, diese ganzen Strapazen gut überstehen und mich auch wieder heil zurückbringen können. Im Alter von stattlichen 52 Jahren, das von Colombine wohl bemerkt, ich war ja schon etwas älter, war dies durchaus eine berechtigte Sorge. Das sollte im Laufe der Reise und vor allem in Bezug auf meine Erklärung, warum dieser Vorfall sich ereignete und warum ich ihn als mein persönliches Geheimnis schützen will, eine große Rolle spielen. –
Die sehr hohen Temperaturen zu dieser Zeit am Gardasee und die Höhenunterschiede zwischen den Tälern und Pässen, sowohl in den Schweizer Alpen, als auch in den Italienischen Regionen, führten tatsächlich zu technischen Problemen bei Colombine.
Diese äußerten sich während der Fahrt im Ausgehen des Motors, schlechter Gasannahme am Berg, stottern und auch die eine oder andere Fehlzündung.
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Jeden Morgen betankte ich meine Vespa und musste dazu für die Schmierung dem Benzin auch Öl beimengen. Jeden Tag legten wir dann so zwischen 150 und 200 Kilometer zurück. Und jeden Tag nahm meine Aufmerksamkeit auf die Motorgeräusche zu achten, zu. Ein Ohr hing quasi immer am Motor mit der bangen Frage, wie geht es Colombine ?
Zwei Pannen hatte ich mit freundlicher Hilfe netter Kollegen schon beheben können und nachdem ich geeignetere Zündkerzen gekauft hatte um diese bei Bedarf auch austauschte, lies es sich eigentlich gut mit Colombine fahren.
Auch am selbigen Tage um den es hier geht. Ich tankte am morgen wie gewohnt. Trank noch einen Espresso und begann beschwingt meine Vespa-Tour. Es sollte die „Drei-Seen-Tour“ werden. Lago di Ledro, Lago d’Idro und Lago Valvestino. Eine zumutbare Tour für alle Beteiligten.
In einer Biker-Treff-Gaststätte, oder wie man hier eher sagen müßte Trattoria Traditionale, stärkte ich mich noch für die nächste Etappe und diese Stärkung sollte ich auch gut gebrauchen können.
Der Lago Valvestino näherte sich. Ich hatte so ca. 80 KM zurückgelegt und es begann sachte zu regnen. Ein warmer Sommerregen, wie ich ihn gerne mag.
Bei einer leichten Abfahrt ging der Motor meiner Vespa plötzlich aus. So wie die Tage davor auch schon häufiger, mal geschehen. Oh, dachte ich, geht es wieder los mit den Problemen. Möglicherweise wird wieder eine neue Zündkerze fällig. Doch es sollte anders kommen. Nach dem Ausrollen versuchte ich doch erst mal wieder einen Start, d.h. den Motor antreten. Und siehe da, sie läuft !
Freude! Diese währte allerdings nicht lange, denn der Motor ging bald wieder aus. Diesmal auf ebener Strecke. Was fehlt ihr ? Das mit der Zündkerze, kann doch eigentlich nicht schon wieder sein.
Düse verstopft ? Schon eher, denn ich war ja gestern auf einer unbefestigten staubigen Straße (eher als Wanderweg zu bezeichnen) längere Zeit unterwegs gewesen. Die Kleine hatte viel Staub geschluckt. Oder ist der Vergaser verschmutzt?
Oder hängt einfach der Schwimmer ? Nun, als Laie auf diesem Gebiet konnten sicher noch viele weitere mir unbekannten Fehlerquellen in Frage kommen.
Ein neuer Startversuch und siehe da, sie läuft wieder. Also ist Benzin nachgeflossen und die Frage war nur, wie weit reicht es?
Nicht weit genug wie ich feststellen musste. Gerade mal 200 Meter höchstens. Also länger warten, weniger Gas geben, sozusagen das nachlaufende Benzin besser einteilen. Oder evtl. doch Vollgas geben?
Nun, nach einigen erfolgreichen Startversuchen, aber nur kurzen Fahrstrecken, entschied ich mich für das Vollgas. Schwung holen, Kupplung lösen und ausrollen lassen. Dann dazwischen immer mal schieben.
Tretrollern, so nannte ich diese Technik inzwischen. Denn wenn das Gefälle geringer als der Rollwiderstand war, konnte ich sitzend mit einem Bein anschieben. Das ging dann doch recht ordentlich und ich kam voran. In der Zwischenzeit konnte wieder etwas Benzin nachlaufen und ich einen neuen Anlauf nehmen.
Allerdings setzte mir diese ungewohnte Tätigkeit körperlich immer mehr zu und ich wurde mehr nass vom Schieben und Schwitzen als von dem leichten Regen der so lau war, wie ich ihn nur aus meiner Kinderzeit in Erinnerung habe. Aber Kühlung brachte er keine. Auch nicht für meinen Verstand.
Es müssen so 3 bis 4 Kilometer gewesen sein, die ich auf diese Art zurück legte ! Genau will ich es gar nicht wissen. Gefühlt waren es jedenfalls wesentlich mehr.
Wie viele Kilometer auch immer, es waren, endlich kam ein kleiner Ort. Unter einem Blechdach vom Regen geschützt, saßen zwei ältere Herren. Wie diese beiden Alten, so alt kam ich mir jetzt auch vor.
Mein Glück war, dass es sich um das Vordach einer Gaststätte oder besser gesagt, eines Ristorante handelte. Spontan bockte ich Colombine auf und entschloss mich, mir für meine Anstrengungen zuerst eine Belohnung abzuholen und eine Pause einzulegen. Entschuldigend für meine schiebende Ankunft erklärte ich den Singores: ,,Maschine kaputt“. Das war bestimmt auch für einen Italiener verständlich.
Tatsächlich, einer der Herren sprang sofort auf, winkte mich zu sich und machte mir irgendwie verständlich, dass im Ristorante ein Mechaniker säße und ich mitkommen sollte.
Ein junger Mann, der gerade mit seinem Nachtisch fertig war, saß an einem Tisch. Er sprach deutsch. Mein Glück war vollkommen. Ich erklärte ihm in einfachen Worten meine technischen Probleme mit der Vespa. Er bestätigte eine meiner Vermutungen: ,,Wahrscheinlich Vergaser verschmutzt“ lautete seine Ferndiagnose.
Die Werkstatt lag direkt hinter dem Ristorante. Ich solle mal den Roller dahin schieben. Draußen zeigte mir, zur Sicherheit der freundliche Signore, für mich inzwischen zu einer Glücksfee mutiert, den Weg zur Werkstatt. Es waren immerhin noch 20 Meter.
Fast zeitgleich traf ich mit dem Mechaniker dort ein, der als Insider den Hinterausgang benutzt hatte. Sofort begann er mit viel Fingerspitzengefühl fachgerecht den Kotflügel zu entfernen, den Vergaser zu öffnen und das Innenleben desselbigen zu inspizieren.
Er sprach nicht mehr viel, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass seine Vermutung wohl doch nicht zutraf. Etwas Schlimmeres ? Brauchte ich gar den ADAC-Notruf ? Noch war es nicht so weit. Der Vergaser war jedenfalls nicht verschmutzt.
Mal sehen, ob der Zufluss aus dem Tank verstopft war? Das wäre ja ein kleines Problem für ihn. Ganz sicher, bestimmt!
Und da kam auch kein Benzin! Vorerst? Als er aber auf Reserve drehte, siehe da, es floss Benzin ! Mit einem treuherzigen Blick sagte er zu mir, und das ist jetzt wörtlich zitiert: ,,Nur ein bisschen Tanken ! ,,
NEIN, das konnte doch nicht sein. Ich habe wie jeden Morgen getankt, ich bin doch erst ca. 80 KM gefahren. Ich habe ihm das mehrmals versichert. Doch er lächelte nur und wiederholte seinen Satz: ,,Nur ein bisschen tanken !“
Ich musste ihm glauben, denn auf der Stellung ,Reserve‘ floss Benzin aus dem Schlauch und auf ‚Offen‘ leider keines mehr.
Das ist aber peinlich. ,,Oberpeinlich“. Wie konnte das nur sein ? Ich erinnere hier die Leserschaft an meine Eingangsworte, besser nicht weiter gelesen zu haben, als diese Peinlichkeit weiter zu geben !!! Vergessen Sie es ! Sofort !
Dennoch will ich den Fortgang weiter schildern, ich mache es kurz.
Nächste Möglichkeit zu tanken war am Gardasee, noch 8 KM? Gut das schaffe ich locker auf Reserve. Freundlich bedankte und entschuldigte ich mich. Immerhin hatte dieser Fachmann aufgrund meiner Schilderungen ja selbst auch eine meiner Vermutungen diagnostiziert: Vergaser wahrscheinlich verschmutzt, so seine eigene Aussage. Sowas wird öfters vorkommen, bei diesen Zweitaktern.
Doch Benzin alle, das konnte nicht sein! Schon oft habe ich auf Reserve gestellt. Oft während der Fahrt, ohne anzuhalten, wenn der Schwung es zuließ. Aber warum ist sie dann immer wieder angesprungen ?
Noch ein Abschiedsfoto vom Mechaniker in seiner Werkstatt zusammen mit meiner Vespa. Den Benzinhahn auf Reserve gestellt, fuhr ich an den See zu nächsten Tanke.
Ich brauche nicht zu sagen, welche Gedanken mich beschäftigten. Benzin alle! 4 Kilometer getretrollert!
Warum kam mir nie der Gedanke mal nach dem Benzinstand zu sehen ? Gut, ich hatte ja getankt vor der Abfahrt und sogar noch frohen Herzens einen Espresso getrunken. Es hätte sich doch der Benzinschlauch lösen können, oder er wäre einfach nur undicht geworden. Damit wäre der Schwund erklärbarer. Bestimmt gibt es noch weitere Möglichkeiten.
Hielt mich der Regen ab ? Warum schiebe ich 4 Kilometer das Gefährt ohne einen Gedanken an das Benzin zu verschwenden? Ich tat Abbitte bei Colombine. Nein, sie zickte nicht. Ich war der Esel ! Aber warum nur? Solcher Art von Fragen und Gedanken nachhängend, erreichte ich zwar den See und auch eine Tankstelle. Aber inzwischen zweifelte ich doch sehr an meiner Vespatourenfahrertauglichkeit. Kein Benzin mehr im Tank, das war einfach zu viel für mein Gemüt und ich hatte kein Erklärung dafür.
Die Erleuchtung, oder besser gesagt die Lösung des Rätsels, kam mir aber beim Tanken dann doch noch. Ich muss ja immer Öl zu jeder Tankfüllung beigeben und zwar 2 %. An diesem Morgen hatte ich nur noch für 2 Liter Benzin die notwendige Menge Öl vorrätig. Nicht dass ich ohne Öl unterwegs gewesen wäre. Nein, neues Öl war schon gekauft und ich hatte es auch dabei, aber man soll ja verschiedene Sorten Öl nicht mischen. Also tankte ich an diesem Morgen nur 2 Liter Benzin nach. Das reichte dann eben nur bis zum Lago Valvestino. Das hatte ich total vergessen ! Keine Glanznummer. Immerhin aber eine Erklärung.
Bis heute verwinde ich es nicht, dass mir nie der Gedanke gekommen war, mal nach dem Benzinstand zu sehen. Vier Kilometer tretrollern ! Selbst schuld !
Es wäre so einfach gewesen. Aufbocken, Schraube vom Tankdeckel aufdrehen, in den Tank schauen. Aha, das Röhrchen ist zu sehen. Benzin bald alle. Benzinhahn auf Reserverstellung und weiter geht es.
Mein Resume: Was wäre mir ohne diesen Vorfall nicht alles entgangen! Ich möchte dieses Missgeschick daher nicht missen.
Und Sie hätten jetzt nicht ein Geheimnis erfahren und müssten, besser dürften, dieses jetzt wieder vergessen. Ganz einfach vergessen, so wie auch ich, etwas vergessen habe.
Was war das noch gleich ?
VBa-Geheimniss-Lösung:
V wie Vespa, B wie Benzin und a wie alle !
(Markelfingen im August 2015)
3 Gedanken zu “Das VBa-Geheimnis”
Auch wenn bereits schon wieder vergessen, prägende Erfahrung tretrollern zu lernen … ☺ – jeder Griff an den Benzinhahn bringt bestimmt schöne Bilder über ein tolles Ristorante, einem netten fähigen Mechaniker ins Gedächtnis und der Erinnerung „einfach bisschen tanken“!
Auf immer ein bisschen Sprit über dem Röhrchen und schönes Rollern!
Genau so ist es !
Ciao Jürgen
Mach dir keine Sorgen: Ich bin von Haus aus vergesslich, also kann ich gar nichts mehr vergessen!