Oh ja, bald ist wieder Weihnachten, dachte Opa, mit einem Blick auf seinen Wandkalender. In wenigen Tagen haben wir den ersten Advent. Schon länger hatte er sich überlegt in diesem Jahr mit etwas Besonderem den Enkelkindern eine Freude zu machen. Zeit hatte er genug dafür, denn im Augenblick ist das tägliche Leben ziemlich heruntergefahren. Corona, sagen sie ist gefährlich, sagen die in Berlin, vor allem für ältere Menschen, zu denen er wohl gehöre. Doch darüber wollte Opa sich heute keine Gedanken machen. Wichtig war ihm das Weihnachtsgeschenk für seine Enkel Malin, Mathilda und Levin, noch rechtzeitig fertig zu bekommen.
Dann sollte er aber schnell damit anfangen, ging es ihm durch den Kopf, während er bereits die Kellertreppe in seine Werkstatt hinunter stieg. Dort konnte er am besten arbeiten, niemand störte ihn dabei.
Vergangene Woche war er bei seinem Haus- und Hof Schreiner gewesen. Sie beide hatten die letzen Tage oft miteinander telefoniert. Opa hatte Holz bestellt für eine Weihnachtskrippe. Die sollte etwas ganz besonderes werden. Nur musste er sich noch einmal über die Zeichnungen setzen und alles genau überprüfen. Es durfte nichts vergessen werden, nichts schief gehen und es musste etwas ganz besonderes sein, wenn es fertig ist.
Er schnappte sich sein Auto und fuhr zu Hans Heinrich dem Schreiner, der ihn bereits erwartete. Nun ging es richtig zur Sache. Es wurde ausgesucht, probiert, vorgestellt, überlegt gefachsimpelt und dann an der großen Maschine gesägt, was das Zeug hielt. Als Opa auf die Uhr sah, bekam er einen Riesenschreck. Jetzt aber war Beeilung befragt. In einer halben Stunden kommen die Kinder nach Hause und da wollte er bereits schon alles im Keller verstaut haben. Zu dumm, eigentlich sollte er noch im Baumarkt vorbei, denn sein Sägeblatt hatte einige Macken und damit bekam er für die Feinarbeiten keine glatte Kante zustande. Na, dann mache ich das heute Nachmittag wenn ich so oder so aus dem Haus muss. Auf die Zeit kommt es jetzt auch nicht mehr an, ging es ihm durch den Kopf.
Nach dem Mittagessen hatte er es heute besonders eilig. Malin fragte noch ob Opa sie vor seiner Arbeit, die er am Nachmittag immer machte schnell in den Reitstall bringen könne. Doch heute hatte Opa überhaupt keine Zeit. Die Enkelin war sauer. Zu blöd, jetzt musste sie auch noch warten bis die Mama von der Arbeit zurück war, und bis sie dann endlich Zeit hatte sie zu ihrem Pferd zu fahren. Oh Gott! So ein Mist, schimpfte sie, immer wenn man von den Erwachsenen etwas will haben sie keine Zeit oder was anderes vor oder Ausreden. Wenn wir das mal machen würden. Mathilda die große Schwester erklärte ihr, dass sie da absolut falsch liege. Aber Malin, der kleine Wirbelwind wollte nichts davon wissen.
Verdrießlich setzte Malin sich an ihre Schularbeiten und nebenbei hörte sie in voller Lautstärke Musik. Reiner Protest war das…aber das war ihr egal! Einen Fuß auf den Tisch gelegt, die Ellbogen unter dem Kopf, am Bleistift kauend, so fand sie ihre Mutter vor, als sie von der Arbeit zurück kam.
Mit einem Fußtritt und dem Schrei „blöder Hund“, machte sie endgültig ihrem Ärger Luft, und stieß Lotosblüte den Hund von sich weg. Verschwinde du Langweiler Stinker rief sie ihm noch nach. Der Hund war etwas irritiert und zottelte ab. So benahm er sich immer wenn die zwei Katzen ihm einen Hieb versetzten. Penelope und Philos ärgerten ihn ständig in seiner Mittagsruhe. Dann ging er zu den Kindern und wollte einfach mal gestreichelt werden. Aber das war heute überhaupt nicht im Sinne von Malin. Er wollte jetzt auch einfach loslaufen, das war er zur Mittagszeit so gewohnt. Aber keiner hatte Zeit für ihn. Lotosblüte zottelte ab und legte sich auf die Couch. Er wusste genau, dass das nicht gerne gesehen war, aber jetzt war das auch dem Hund egal.
Der Opa ist doof und ich rede nicht mit dir und mit Lotosblüte gehe ich auch nicht spazieren, schrie die aufgebrachte Malin ihre Mutter an, bevor die überhaupt noch etwas sagen konnte. Ach ja, wie immer dicke Luft dachte sie, aber Mathilda wird ihr gleich erzählen, wo es denn heute wieder klemmt. Die Schwestern stritten sich immer dann, wenn Opa sich etwas anders vorgenommen hatte und die beiden Mädels nicht ihre gewohnte Routine hatten, oder er nicht ihre Sonderwünsche erfüllte.
Es ging auch nicht lange und dann erfuhr sie, dass Opa seine Enkelin heute nicht in den Reitstall fahren konnte. Na, ja das kleine manchmal dickköpfige Persönchen hatte eben so ihre eigenen Vorstellungen. Die Mutter sagte nichts dazu und trug es mit leichtem Humor, denn spätestens dann wenn sie die Kleine und den Hund ins Auto packte, war alles vergessen.
Tags darauf hatte Opa frei. Er wollte unbedingt im Keller an seinem Weihnachtsgeschenk arbeiten. Es stieg in seine Werkstatt und begann alles was er noch benötigt, sich auf dem Arbeitstisch zurecht zu richten. Farben, Stoffreste, Kleber, Gips, getrocknetes Gras und andere Naturmaterialien, die er in den letzen Wochen gesammelt hatte. Baumrindenstücke Wurzeln, Holzstücke und vieles mehr, was mit ihm von seinen Waldspaziergängen den Heimweg angetreten hatten.
Er sägte, klebte, malte feilte, was das Zeug hielt. Und so ging es Tag für Tag. Zum Glück hatte es noch keiner im Hause so richtig bemerkt, dass er immer in seiner Werkstatt sich eingeschlossen hatte. Jeder kannte ihn und wußte, wenn er in seine „Kellersuite“ ging, durfte man ihn weder stören noch fragen was er gerade machte. Auch durfte ihn dort keiner besuchen oder aufsuchen. Das war sein ganz persönlicher Freiraum.
Die Tage vergingen und das Zeitlimit, das sich Opa gesetzt hatte wurde enger und enger. Doch eines Tages, kurz vor dem Fest, war alles fertig. Opa war stolz und nun saß er in seinem Keller, mit einer Flasche vom besten Bier, einer dicken Zigarre und schaute ununterbrochen sein Ergebnis an und genoss fertig zu sein und so etwas wundervolles für seine Enkelkinder gemacht zu haben.
Das Einzige was ihn noch beschäftigte, war der Gedanke an den Heilig Abend was seine Enkel sagen werden und auf die leuchtenden und staunenden Kinderaugen, wenn sie die Krippe unter dem Weihnachtsbaum stehen sehen. Aber das werden wir wohl nie erfahren, oder viellicht doch ? Ja, es ist ja schließlich bald Weihnachten.
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