Hochwürden geht auf Wallfahrt (5)*

Erste Erlebnisse im Wallfahrtsort

Gößweinstein salü

Berta war endlich angekommen!  Nur noch den Hügel hinunter, dann war sie schon im Ort. Inzwischen  zeigte sich  wieder die Sonne. Unterwegs hatte sie  einige Male sintflutartige Wolkenbrüche erlebt. Dann musste sie  wiederholt  am Straßenrand stehen bleiben, bis alles vorbei war.  Es war bereits später Nachmittag als sie endlich im „Gasthof“ eintraf.  

Gößweinstein Ortsmitte salü

Dieser lag in der Ortsmitte, unmittelbar bei der Basilika. Nennen wir ihn einfach mal „ Goldener Stern“. Der Name passt so herrlich zum Thema Wallfahrt. Die dazugehörende  Unterkunft musste einfach Stern heißen, denn den Heiligen Drei Königen ging auch ein Stern voraus, also dann würde das doch auch für Hochwürden gut passen, dachte sich Berta. Natürlich passte der Name besonders gut zu der, von Hochwürden ausgesuchten Unterkunft, die er für sich einige Tage zuvor, reserviert hatte. Für Berta hatte er die Buchung glatt unterschlagen. Wo sie abbleiben sollte, entging ihm völlig. Doch, dass sie sich im gleichen Hause wie er unterbringen würde war für ihn selbstredend. Vielleicht hatte er sie auch angekündigt, mehr aber konnte man von seiner Eminenz nicht erwarten. Wiedereinmal zeigte sich wie schon so oft , wie vergeistigt ihr Hochwürden im Alltag war. Berta betrat die Gaststube um sich anzumelden. Pfarrer Cornelius war sicherlich noch nicht eingetroffen. Also konnte sie in Ruhe auspacken, irgendwo eine Kleinigkeit essen und sich im Ort umsehen.

Basilika

Von außen sah der Gasthof nicht besonders einladend aus. Man erkannte sofort, dass die Gäste gerne die rustikalere Variante bevorzugten. Der Wirt war gerade dabei seine persönlichen  Sachen   zusammenzupacken. „Wir haben geschlossen und ich habe Feierabend“, rief er Berta zu.   Er war nicht sonderlich erfreut,  dass am späten Nachmittag noch ein Gast einchecken wollte. Er sei aus der Stadt und nicht immer im  Gasthof anzutreffen,  nebenbei habe er auch noch andere  Verpflichtungen. So seine Begrüßung ! Schon wieder so ein besonderes Exemplar, dachte Berta. Noch ein Stinkstiefel mehr, auf Gottes Erdboden, ebenso wie der gestern in  Lichtenau. Berta schüttelte den Kopf. „So dämlich hat mich noch kein Mensch auf meiner Zimmersuche begrüßt“, sagte sie Spontan zu dem Wirt. „Außerdem haben Sie eine Reservierung von Hochwürden Cornelius von Samtleben vorliegen. Sowas hätte ich in einem so heiligen Wallfahrtsort nicht erwartet,“ setzte sie noch etwas spitz hinzu.

Gasthof

„Und überhaupt, was geht mich das an, ob sie jetzt nach Hause gehen wollen oder  nicht“. Etwas sprachlos blickte der Wirt Berta an. Sowas war ihm wohl auch noch nicht untergekommen, dass ihm widersprochen wurde. Ungehalten schob er  Berta  das  Anmeldeformular hin, um es gleich darauf wieder zurückzunehmen, weil er es wie er sagte, unbedingt selbst ausfüllen wollte. „ Ach ja, und was haben Sie mit Hochwürden von Samtleben zu tun“? Fragte er zurück. Die Neugierde stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Berta war das egal. Während sie noch am Tresen stand und der Dinge harrte, die da vielleicht kommen sollten, oder nicht, sagte sie nur kurz, „ Ich bin die rechte Hand von Hochwürden.“ Mehr brauchte ihn nicht zu interessieren. Der Wirt war plötzlich ein wenig umgänglicher und bot ihr ganz unerwartet einen Espresso an, mit den Worten: „Kommen sie, lassen Sie uns das alles vergessen und trinken Sie mit mir einen Espresso, auf  Kosten des Hauses natürlich,“ setzte er noch nach.

besagter Espresso salü

Berta ein wenig  verblüfft ob der eigenartigen Wendung der Situation, willigte zögerlich ein. Bei dem Wort Espresso konnte sie im allgemeinen nicht nein sagen.   Doch das  Angebot war eine absolute „Schaumschlägerei“ wie sich bald herausstellen sollte. Während  sie das Formular  unterschrieb, wollte der Wirt plötzlich  € 3,00 für die Tasse Espresso.  Berta schaute ein wenig belämmert. Normalerweise nicht auf den Mund gefallen, aber diesmal war sie sowas von perplex, dass ihr nichts dazu einfiel.  Damit hatte der Wirt wohl gerechnet. Sicherlich hatte er dieses Spielchen des öfteren schon gemacht, dacht Berta. Als der  Wirt Bertas Blick sah, meinte er  nur lakonisch: „wo käme ich hin, wenn ich jedem Gast einen Espresso spendieren würde?“ 

Berta legte ihm  den gewünschten Betrag auf die Theke. Dann meinte sie nur: „Bekomme ich jetzt den Schlüssel und wo ist mein Zimmer? Ich würde mich gerne nach der langen Reise ein wenig ausruhen.“ Der bisherige  Empfang hinterließ bei ihr ein wenig ein  „Gschmäckle“ wie  die Schwaben sagen. Ihr Bauch sagte ihr, eigentlich sollte sie das Gasthaus sofort wieder verlassen.

Blick vom Ort zur Burg salü

Zwischenzeitlich war die Dame des Hauses eingetroffen. Sie erklärte Berta, sie werde  sie in  den dritten  Stock auf ihr Zimmer begleiten.  Unterm Dach  wäre noch  was frei. Während sie zusammen die vielen Stufen nach oben stiegen, erklärte die Besitzerin, das Bett  sei ein nagelneues Bockspringbett – was immer das auch sein mochte. „Da werden sie bestimmt gut schlafen.“

Oben angekommen schloss die  Frau die Türe  auf. Berta noch im Türrahmen stehend hatte das Gefühl der Boden unter ihren Füßen weiche zurück und ziehe sie gleich mit. Das angebotene  Zimmer, entbehrte, gelinde gesagt jeglicher Art von behaglichem Nachtquartier. Es war eine bessere Absteige, die  Berta  hier zu Gesicht bekam.  Das alles hier war wohl ein schlechter Witz? Eine „Absteige“ ging es ihr bei dem Anblick durch den Kopf. Das alles hier war so schäbig, dass es  Berta  leicht übel wurde.

Hauptstraße salü

Sehr ungepflegt, alt, klein– das wäre kein Problem gewesen, denn auch kleine Räume kann man schön und ansprechend gestalten, vor allem aber Sauber musste es sein. Mit Ausnahme des angekündigten Bettes, das offensichtlich ziemlich neu war und einem überdimensionalen Fernseher, der den Durchgang am Bett versperrte und den Berta mit Sicherheit nicht nutzen würde, gab es nichts in dem Zimmer was auf eine dem Gast gerecht werdende Bleibe hindeutete. Ein „Möchtegern Hotel“  schoss es Berta in den Sinn. In der Ecke neben der Eingangstüre waren herunterhängende Tapetenfetzen und Schimmelstellen. Es war das Erste was ihr auffiel. Wie war das möglich, so  ein Zimmer zu vermieten? Die Dame des Hauses sah  Bertas Blicke und verabschiedete sich schleunigst mit den Worten, die Handtücher lägen auf dem Waschbecken in der Ecke. Der Fernseher müsse angemeldet werden  und wenn  sie  noch etwas brauche, morgen früh wären sie wieder im Hause. Damit verließ  die Hausdame Berta, ließ diese   einfach  stehen und überließ sie ihrem Schicksal. 

Hinterhof. salü

Die Überlegung   noch heute Abend in einem anderen Hotel unterzukommen, konnte sie vergessen. Für einen Umzug war es zu spät. Berta setzte sich aufs Bett und überlegte. Man konnte förmlich die Gedanken in ihrem Kopf herumschwirren sehen. Berta Wilhelmine „ nicht ärgern, nachdenken und handeln,“ versuchte sie sich zu sagen, und damit schüttelte sie fürs erste ein wenig von der Verärgerung ab. „Dem Hochwürden werde ich was erzählen“, sagte sie plötzlich laut vor sich hin „ und dann kann er was erleben. Der soll nur kommen! Mal sehen ob er heute noch auftaucht, ich will ihm nicht geraten haben mir unter die Augen zutreten. Und überhaupt, zuerst werde ich einfach zu  der Wallfahrt überredet, oder noch besser, gezwungen, dann  kann  ich meinen Urlaub bei meiner Schwester  knicken und zu guter Letzt auch noch diese schäbige Unterkunft. Das kann heiter werden!“ Ihr wütendes Selbstgespräch verstärkte sich zusehends. „Und das soll nun Hochwürdens hochgelobte Fränkische Schweiz sein?“ Verschiedene Bilder die sie auf dem Schreibtisch von Pfarrer Cornelius gesehen hatte, sah sie plötzlich vor sich. Das war alles so schön anzusehen ….. Berta konnte es nicht fassen ……und das hier?

Sie saß mit geschlossenen Augen auf dem sogenannten Bockbett oder Springbett, egal was auch immer das nun sein mochte und dachte nach. Inzwischen quälte sie der Hunger und eigentlich wollte sie sich noch frisch machen nach dem langen turbulenten Tag. Irgendwann öffnete sie wieder ihre Augen. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Es half alles nichts, wenigstens heute Nacht musste sie hierbleiben. Die  schrecklichen unliebsamen Einzelheiten im diesem Raum – ein Albtraum, statt einer Ruhestätte- all das wollte sie jetzt nicht mehr weiter unter die Lupe nehmen. „So“, sagte sie plötzlich entschlossen, „jetzt duschen, dann essen gehen, den Rest später.

Gegenüber dem Bett war in einem Meter auf Meter großen Kabuff ohne Türe die Toilette  und Dusche, die sich genau gegenüber standen.  Berta hatte das dringende Bedürfnis sich nach der langen Reise frisch zu machen. Also, musste sie erstmal einen Versuch starten in die Dusche zu steigen. Es  setzte einen  sportlichen Akt voraus. Denn genau gegenüber dem Einstieg war die Toilette und der war so schmal, dass sie Schwierigkeiten hatte, wohin mit ihren Füßen. Doch es gelang ihr und endlich hatte sie ein wohliges Gefühl von warmen Wasser über sich, das sie wieder auf den Boden zurück holte. Verflixt noch eins, genau in dem Augenblick als sie das Duschgel abwaschen wollte, versiegte das warme Wasser und es kam nur noch ein kaltes Rinnsal  aus der Düse. Haare waschen war hier nicht drin. 

Inzwischen wunderte sich Berta Wilhelmine über nichts mehr. Das wacklige Waschbecken in der Ecke, mit dem darüber hängenden blinden Spiegel, die ausgefransten Handtücher die der Verfärbung nach, vermutlich schon länger keinen richtigen Waschgang mehr gesehen hatten, das Fenster mit Blick in ein Gästezimmer des gegenüberliegenden Hauses, das ohne Vorhänge, mit direkter Sicht auf das dort stehende Bett, einen Einblick in die Privatsphäre fremder Gäste gewährte, was eine Idylle. Hier im Raum, die Steckdose neben der Türe die aus der Wand hing, die Leuchte auf dem Nachttisch die nach dem Anknipsen wackelte und flackerte wie die Leuchtreklame von „Moulin Rouge“, sobald man sie bediente. So manches andere „Highlight“ fand sich noch in dem „gemütlichen“ Zimmer. Berta war  hungrig und wütend zugleich. Auf  das Haus, auf den Wirt, auf Hochwürden, der ihr das Haus wie Sauerbier in den höchsten Tönen angepriesen hatte, auf sich und na ja, Gott und die Welt und diese dämliche Wallfahrt. Sie war auf  Einhundertachtzig und müde als sie endlich ihr Gepäck nach oben geschleift hatte. Es war eine Plackerei gewesen, die vielen Etagen die sich nach oben hin verengenden Treppen, samt Gepäck hochzusteigen. Leicht erschöpft legte sie sich kurz auf das Bett, ach ja das besondere Bett !!! Nur nicht einschlafen, dachte sie. Wenn ich endlich etwas im Magen habe, geht es mir sicherlich wieder besser, also los….. Bei dem letzten Gedanken musste sie wohl doch eingenickt sein. Als sie wieder erwachte, war es bereits kurz nach sieben Uhr. Nun aber schnell, sonst gibt es auch nicht mal mehr was zu essen für mich. Möglich wäre das hier schon nach all den Reinfällen, die bis jetzt sich ereignet hatten.

Das goldene Tor salü

Hungrig wie sie war, lief sie los, um in einem der nahegelegenen Gasthöfe unweit der Basilika sich nach etwas Essbarem umzusehen. Gaststätten und Restaurants gab es ja mehr als genug. Eine davon wird schon geöffnet haben, dachte sie als sie die Straße überquerte. Die Gedanken schwirrten noch immer in ihrem Kopf. Heute noch ein anderes Quartier zu suchen versprach keinen Erfolg. Wie sie inzwischen mitbekommen hatte, war der Ort ausgebucht, wegen der großen Wallfahrer Woche. Und das mit Hochwürden und der Unterkunft, das würde sie noch mit ihm selbst klären, wenn er angekommen war. Gegenüber der Basilika hatte ein Gasthof geöffnet. Sie trat ein, denn mit Pfarrer Cornelius musste sie nicht mehr rechnen. Der wird schon noch kommen und dann soll er es so halten, wie die Bettler mit einem trockenen Brot, oder was auch immer.

Also Abendessen im „König der Löwen“. Eine Suppe, das wäre jetzt richtig. Als sie in den holzgetäfelten Gastraum eintrat, saßen dort im Halbdunkel nur wenige Gäste. Alles Männer die vor sich einem Bierkrug stehen hatten, und schweigend ein wenig düster dreinschauten. Auf ihre Begrüßung hin, kam nur ein weiteres Schweigen. Also Stoffel gibt es hier auch, dachte sie. Berta setzte sich an einen der leeren Tische. Es dauerte und dauerte bis endlich der Wirt auf sie zukam. Der Schnellste war er wohl nicht und dann dieser durchdringende Blick, mit dem er Berta ununterbrochen gemustert hatte, bis er sich endlich entschlossen hatte sie zu bedienen.

Berta Wilhelmine hatte inzwischen die kleine Karte studiert und sich entschlossen, die absolute Nummer 1 hier auf der „Hitliste“, die Flädlesuppe zu bestellen. Eigentlich heisst sie hier ja Pfannkuchensuppe, aber egal Hauptsache es geht jetzt bald los, denn Bertas Hunger war inzwischen groß. Etwas einsilbig antwortete der Wirt auf ihre Bestellung der Suppe. „Es gibt nur noch welche im Teller“, und wenn sie lieber eine Knödelsuppe wollten, die ist vom Mittag noch warm, “erklärte er und auf die Frage, ob sie einen Kräutertee bekommen könnte, kam nur ein kurzes Kopfnicken zurück. Nach einer Weile kam der Wirt nochmal zurück und fragte “ Knödelsuppe oder Pfannkuchensuppe ?“ „Flädle- oder Pfannkuchen wie Sie sagen,“ möchte ich, antwortete Berta. Dann dauerte und dauerte es wieder……… Berta wollte gerade den Wirt fragen, wo die Suppe abgeblieben sei, als er mit einem Teller schlürfend an ihren Tisch kam. Mit seinem  dicken Daumen war er dem Inhalt ziemlich nahe, als er den Teller vor sie hinstellte. Das Wort „Guten Appetit“ kannte er wohl auch nicht. Berta begann zu essen. Doch der nächste Aprilscherz und das im Juni war zur Gewissheit geworden. Von der Temperatur her, wäre die Suppe glatt als „Kaltschale“ durchgegangen.  Außerdem  kam sie der Farbe eines trüben Regentages ziemlich nahe.  Vielleicht wurde sie damit aufgepeppt?

Berta hätte lieber diese Suppe bekommen ……………. salü

aber so etwas hatten sie hier nicht auf der Karte. Nun denn, dann eben nicht ….. Na und zu guter Letzt, hätte die Suppe in Sachen Fettaugen den ersten Preis gewonnen, denn soviel wie davon oben aufschwammen, waren sonst nie und nimmer in einer Tagessuppe. Das Tier, das hierfür geschlachtet worden war, wurde zuvor wohl so gemästet, dass  es mit Sicherheit nicht mehr durch die Stalltüre gepasst hatte. Ja und dann noch die Pfannkucheneinlage, die  hätte sicherlich den ersten Preis im Versteckspielen  gewonnen. Berta schluckte nun die Suppe und auch ihren Ärger hinunter, denn jetzt war es eben so, aber ein Nachspiel würde das Ganze schon noch haben. Sie werde alles fein säuberlich in ihrem Reisebericht aufschreiben. Und wehe dem der sich darüber lustig machen wird, der hat dann auch nichts zu lachen so wie Pfarrer Cornelius von Samtleben alias Hochwürden..

Flohmarkt in Gößweinstein salü

Das Beste war die Rechnung. Der Wirt betrachtete  Berta  wie einen Eindringling aus einer  anderen Galaxie, was wohl die Erklärung dafür war, dass  er bei Berta Wilhelmine offensichtlich Stuhlmiete und die aufgelegte verfleckte Tischdecke zusätzlich berechnet hatte.  Schade, dass er nicht noch das Datum des Tages dazu genommen hatte,  dann wären die letzten Stunden und der  Abend  samt  Rechnung nicht nur perfekt, sondern ein Hochgenuss gewesen. Doch der Abend war für Berta noch nicht zu Ende. Das ein und andere Erlebnis sollte noch folgen. Mehr in der nächsten Geschichte von Berta Wilhelmine.

Zur Post salü

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.