Nothelfer Trunk und die Vierzehn Heilgen
Was für eine Überraschung. Neue Gesichter im Frühstücksraum, neue Gäste und die Chefin persönlich, geschniegelt, gebügelt wie frisch aus einer Modeboutique. Natürlich! Jetzt fiel es Berta wieder ein. Wie war das doch gleich, als sie mit ihr in den obersten Stock ging, um das Zimmer mit dem „Bockbett“ oder so ähnlich, das sie so anpries, zu zeigen. Genau, da erklärte sie ihr doch, so nebenbei, dass sie hier auf keinen Fall arbeiten werde und auch nicht wolle. Sie habe in Bamberg ein grosses Kosmetikstudio mit einer Boutique, in der sie schöne Kleider, Modeschmuck, Taschen und Schuhe verkaufen würde. Das hier brauche sie alles nicht, das wäre nur niedrige Arbeit, wie sie meinte.
Als die Inhaberin Hochwürden und Berta den Gastraum betreten sah, verschwand sie schnell in der Küche. Kurz danach kam sie wieder um am Nebentisch eine Platte mit Lachs abzustellen. Mit spitzen Fingern, als würde die Platte Abdrücke an ihren Händen hinterlassen, trug sie diese zu den Herrschaften an den Tisch, froh sie endlich abstellen zu können. Natürlich, als Berta ihre Hände sah, war ihr klar, mit diesen langen Kunstnägeln konnte man nicht arbeiten. Dabei bemerkte sie, dass der Lachs ein wenig streng roch. Berta wusste wovon sie sprach, wie man so schön sagt, denn sie ist nun mal Köchin im Pfarrhaus und auf besondere Weise, mit guten und wohlriechenden Lebensmitteln vertraut. Ihren beiden Pfarrern würde sie nie so eine „Geruchsbombe“ anbieten, das war für sie klar.
Ja, war denn das die Möglichkeit? Berta schaute Pfarrer Cornelius an und meinte: „Hochwürden haben sie das dort in der Ecke schon gesehen? Ein richtiges Frühstücks-Buffett“. Hochwürden tat, wie wenn er angewurzelt dastehen würde und sagte ganz laut in die Runde. „Wie schön, heute gibt es ja ein Frühstück, das ist man in diesem Hause gar nicht gewohnt.“ Während er und Berta zum Buffett gingen um sich zu bedienen, wurde die Durchreiche von der Küche aus geöffnet. Dahinter stand die Dame des Hauses höchstpersönlich. Jetzt konnte ihr nichts mehr entgehen.
Hochwürden zwinkerte Berta zu und sagte so ganz nebenbei laut: „aber Café gibt es noch?“ Plötzlich war es still im Raum. Dann kam das junge Mädchen und brachte auch sofort eine Kanne mit frischgebrühtem Café, worauf Hochwürden meinte: „oh, der ist ja sogar heiss, wie schön!“ Alles um die Beiden herum schwieg. Nur einige unverständliche Laute drangen aus der Küche. Inzwischen waren einige der Gäste gegangen und ein Ehepaar dazugekommen.
Zuerst holte Berta sich einen Teebeutel und bat die Bedienung, eine freundliche junge Dame, die wohl hier neu im Hause war, um Wasser. Derweil beobachtete die Chefin mit Adleraugen hinter ihrem Guckloch, was Berta und Hochwürden sich nun auf ihre Teller legten. Berta nahm sich eine Scheibe vom Frankenlaib mit Kümmel , etwas Butter und ein hartgekochtes Ei. Damit war sie zufrieden. Hochwürden hingegen hatte die Hausdame im Visier. Er war aufgekratzt und wollte ihr für die letzen Tage eine Lektion erteilen. Er lud auf seinen Teller was er nur draufpacken konnte. Bevor er sich setzte, bat er die Bedienung um ein wenig Lachs. Diese ging in die Küche, worauf gleich die Dame des Hauses erschien und Hochwürden aufklärte, dass sie keinen Lachs mehr habe. Sie könne nur gegen Vorbestellung für morgen ihn auf die Liste setzen. Ob sie dann einen bekommen würde, wisse sie aber noch nicht. „ Für morgen, sagen sie ?….. Hochwürden lehnte dankend ab.
Pfarrer Cornelius begann nun umständlich sein Toastbrot mit Butter und Marmelade zu bestreichen. Dabei strich er einiges davon auf das Tischtuch, nur so ganz aus versehen. Dann verteilte er gemächlich das ein und andere von seinem Teller um sich herum, schlürfte lautstark an seinem Café, nahm einen Bissen vom Marmeladentoast, danach erhob er sich und sagte zu Berta Wilhelmine „ich gehe auf mein Zimmer“. Oh wie gerne hätte er das Gesicht der Hausdame gesehen, wenn sie seinen Platz abräumen musste. Ein verschmitztes lächeln zog sich um seine Lippen, auch dann noch, als Berta meinte, „das hier, hätten sie sich bei mir nicht erlauben dürfen, Hochwürden“ „Hätte ich auch nicht,“ entgegnete er und stieg die Treppe nach oben.
Pfarrer Cornelius und Berta wollten sich nicht mehr länger mit dem Frühstücksthema beschäftigen. Also beschlossen sie, sich für den morgigen Tag zum Frühstück noch etwas einfallen zu lassen, um der Dame des Hauses noch einmal eine richtige Lektion zu erteilen. Aber jetzt war das alles nicht mehr wichtig, denn die Basilika Vierzehnheiligen hatte bereits ihre Anziehungskraft über Hochwürden und Berta Wilhelmine ausgebreitet. Ansonsten standen natürlich heute noch das Nothelfer -Bier auf dem Programm. Dann hatte sich Pfarrer Cornelius vorgenommen mit Berta das Kloster Banz die „Heilige Stätte der Politik“. wie er sie nannte aufzusuchen. Sollte es dann noch für einen Abstecher nach Lichtenfels reichen, wäre er der glücklichste Mensch auf Gottes weitem Erdboden, erklärte er Berta. „Was wollen Sie denn in Lichtenfels, fragte sie zurück….ach, weißt du, meine Beste, heute gibt es ein Fussball- Event auf einem überdimensionalen Monitor auf dem Marktplatz, das mitzuerleben, das will ich mir doch nicht entgehen lassen.“ „Fußball? Sie?….ha, ha… Hochwürden und Fußball, das ist ja ganz was Neues?“ Berta schüttelte lachend völlig irritiert den Kopf. Noch nie so lange sie im Pfarrhaus arbeitete und das sind schon viele Jahre, hatte sie bemerkt, dass Pfarrer Cornelius sich für Fußballspiel interessierte oder gar ein Spiel ansehen wollte. Aber ja, einmal ist immer das erste mal und außerdem sind ja die Weltmeisterschaften, dann kann das schon mal eine Ausnahme sein. Was aber Hochwürden an dieser öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen überhaupt bezweckte, verriet er ihr erstmal nicht. Er liebte es nicht so sehr in der Nähe von anderen Menschen eingepfercht wie er es nannte zu sitzen oder gar zu stehen. Wenn sie auf dem Marktplatz dichtgedrängt zwischen den Einheimischen und Fußball Fans sich eingefunden hätten, werde er es ihr erzählen, meinte er auf Bertas Frage ein wenig lakonisch.
Die Fahrt ging zunächst über Ebermannstadt nach Forchheim und von dort auf die A73 vorbei am Bamberger Kreuz, dann weiter auf die 173 bis Bad Staffelstein. Schon von weitem konnte man Kloster Banz erkennen. Doch das Ziel die Basilika Vierzehnheiligen lag ein wenig versteckt hinter der Baumallee, die sie nun über eine kleine Steigung hochfuhren. Der erste Blick war überwältigend. Berta war begeistert vom Anblick der Wallfahrtskirche. Vierzehnheiligen liegt bei Bad Staffelstein im Landkreis Lichtenfels in Oberfranken, erklärte ihr Hochwürden. Das von Balthasar Neumann erbaute Gotteshaus ist den vierzehn Nothelfern geweiht. Auch sie ist eine Basilika minor wie Gößweinstein und gehört zum Erzbistum Bamberg.
Jährlich kommen ungefähr eine halbe Million Besucher in die Basilika. Der Überlieferung nach wird erzählt, dass anno 1445 einem Schäfer aus dem nahegelegenen Kloster das Jesuskind im Kreise anderer Kinder erschienen sei. Diese Kinder sollen sich als Vierzehn Nothelfer vorgestellt haben und verlangten, dass an diesem Ort eine Kapelle gebaut werden solle. Dann verschwanden die Kinder wieder. Einige Tage nach diesem Wunder ereignete sich ein weiteres Wunder. Eine schwerkranke Magd war zu dieser Erscheinungsstätte gebracht worden und wurde daraufhin gesund. Von da an kamen bereits die ersten Gläubigen. Und es ging nicht lange bis hier ein neuer Wallfahrtsort entstand. Die Gläubigen drängten auf den Bau einer Kapelle, die dann bereits 1525 den Vierzehn Nothelfern geweiht wurde.
Inzwischen waren Hochwürden und Berta auf dem Parkplatz angekommen. Berta wollte schon aussteigen, doch Hochwürden hielt sie zurück. „Ich möchte gerne noch ein wenig weitererzählen,“ hörte sie Pfarrer Cornelius Stimme. Die im Bauernkrieg zerstörte Kapelle wurde später durch eine größere Kirche ersetzt. Deren Schicksal war, dass sie im Dreißigjährigen Krieg wieder zerstört wurde. Der prunkvolle Barockbau, mit seiner hochstrebenden zweitürmigen Westfassade aus gelben Eisensandstein mit ihren Türmen von 387 m Höhe liegt genau gegenüber der Klosterkirche Banz. Sie bietet dem Besucher einen überwältigenden Anblick. Das Aufblühen der Wallfahrt mit seiner langen Tradition forderte immer wieder Kurfürsten, Bischöfe und auch den Kaiser heraus, die Gnadenstätte wie sie auch genannt wird, ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Die Gläubigen strömten in Scharen, selbst Kaiser und Edelleute standen ihnen in nichts nach. Der zunehmende Pilgerstrom veranlasste daraufhin den Bamberger Bischoff und den Abt der reichsten Zisterzienserabtei von Langheim eine große Wallfahrtskirche zu bauen. Kein geringerer als der Erbauer der Würzburger Residenz und Miterbauer des gegenüberliegenden Klosters Banz, Balthasar Neumann wurde als Architekt beauftragt. Es wird gesagt, dass Vierzehnheiligen sein reifstes und vollendetes Werk geworden sei, das er jemals erschaffen hatte. Der heitere lichtdurchflutete Rokoko Innenraum geben der Basilika eine besondere Ausstrahlung. Inzwischen waren der Pfarrer und Berta ausgestiegen.
Berta ging schnellen Schrittes voraus zu dem Portal der Basilika. Sie wollte unbedingt einen Blick über das Land und zu dem Gegenüberliegenden Kloster Banz werfen. Hochwürden folgte ihr und erklärte, dass hierher an normalen Sonn- und Feiertagen, aber auch unter der Woche sehr viele Menschen kommen, die dann an den Ständen neben der Kirche sich mit Kerzen, Heiligenbildchen, Rosenkränze und anderen Souvenirs eindecken. Doch das fand Berta nicht so beeindruckend. Sie kannte von anderen Reisen, die sie schon mal gemacht hatte, wie die Menschen sich mit vielen solcher Andenken und Erinnerungsstücken ihre Taschen Vollpacken.
Zum Glück waren jetzt nicht so viele Busse und Besucher da. Auch hatten die Standbetreiber noch nicht alle geöffnet und ihre Waren ausgelegt. Hochwürden erklärte Berta, dass erst gegen Mittag und vor allem am Nachmittag hier viel Betrieb wäre. Sie könnten jetzt beruhigt in die Basilika gehen und würden dort nur wenige Menschen antreffen, meinte er noch. Bei all dem was Hochwürden über die Basilika zu berichten hatte, kam Berta überhaupt nicht mehr aus dem Staunen heraus. „Wie mir scheint waren sie Herr Pfarrer schon oft hier gewesen, sagte sie noch bevor sie die große schwere Türe der Basilika öffneten. Es ist schon fast unheimlich, wie sie sich hier auskennen“. Bei diesen Worten betraten Berta und Pfarrer Cornelius das Gotteshaus.
„Der prunkvolle Gnadenaltar umgeben von den Figuren der vierzehn Nothelfer, durch das Christuskind gekrönt, steht in der Mitte des ovalen Hauptraumes“, hörte sie ihn noch sagen, bevor Berta sich in eine der erstbesten Bänke setze, um erst einmal den gesamten Raum auf sich wirken zu lassen. Doch dann verlor sich Berta völlig in dem was sich ihr hier bot. Sie konnte nur noch Staunen. Vor ihr dieser prunkvolle Altar, über und über mit den Figuren, der vierzehn Nothelfer. Es war einfach überwältigend.
Während Berta noch ganz beeindruck auf den Kirchenmittelpunkt schaute, durchschritt Hochwürden das Kirchenschiff und steuerte auf einen Patre zu, der im Hintergrund gerade Gesangbücher in ein Regal räumte. Kaum war er in seine Nähe gekommen, als sich das Gesicht der beiden Geistlichen veränderte und sich ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte.
„Cornelius bist du es wirklich?”
“Jawohl Patre Johannes.“ hörte Berta von weitem die Stimme des Pfarrers.
„Was machst du denn hier? Ach, wie lange haben wir uns nicht gesehen?“
„Wir sind hier auf Wallfahrt, erklärte Hochwürden, aber später mehr darüber. Johannes könntest du meiner guten Berta Wilhelmine über die Basilika ein wenig mehr erzählen als ich das so kann. Du hast doch ein Heimspiel und bist hier mit allem vertraut,“ sagte er noch, während er auf Berta deutete, die noch ganz abwesend in der Bank saß. “Wallfahrt? Soso, nennt man das jetzt so..“ lästerte Pater Johannes.
„Na, dann wollen wir mal die Berta begrüßen und sie durch die Kirche führen.“
Pater Johannes und Pfarrer Cornelius gingen zu Berta, die sich als die Beiden auf sie zukam, sofort erhob. Sie begrüßten sich, unterhielten sich ein wenig über dies und das, was der Pater so schon von ihr so alles gehört habe. Dann bat Pater Johannes Berta sich ihm anzuschließen, denn er werde jetzt die Kirchenführung für Cornelius übernehmen, wie er sagte. Hochwürden setzte sich in eine der Bänke und begab sich in die Stille.
Berta und Pater Johannes gingen zuerst zu dem im 19. Jahrhundert erbauten Gnadenaltar. Es ist das Herzstück der Basilika und ein Meisterwerk des Rokoko. Kaum waren sie einige Schritte gegangen, ertönte die Orgel. Der Pater erklärte Berta, dass hier am Wochenende ein großes Orgelkonzert stattfinden werde und Bruder Zacharias heute schon den ganzen Vormittag am Üben wäre.
„Das ist wundervoll”, sagte Beta
“ich höre sehr gerne dem Orgelspiel zu. Wenn unser Kantor übt, bin ich oft in unserer Kirche und erledige nebenbei die Arbeiten für Hochwürden, nur um zuhören zu können.“
„Vierzehnheiligen verfügt über zwei Orgeln, die Hauptorgel, die Rieger Orgel und die fahrbare Chororgel von Orgelbau Eisenbarth. Von hier aus wollen wir erst einmal durch das gesamte Gotteshaus gehen und erst am Schluss uns dem Hauptstück, dem Gnadenaltar widmen“, so Pater Johannes. Zuerst kamen sie an der reich verzierte Kanzel vorbei. Der mit Engeln geschmückte Fuß des Predigtstuhls und weiteren Engeln oben über dem Kanzelraum bilden in einen Strahlenkranz den Abschluss.
Der Hochaltar im Chor, die vielen Skulpturen im gesamten Kirchenschiff, die prächtigen Deckengemälde, all das erklärte Pater Johannes, versetzten die Besucher nicht nur in Erstaunen, der Reichtum, die Pracht, und die Vielfalt der wundervollen Innenausstattung erfassen nicht nur die Gläubigen mit Ehrfurcht. Auch Berta war beeindruckt und überwältigt. „Wollen wir weiter gehen“, fragte nach einer weile Pater Johannes. Berta nickte mit dem Kopf und dann standen sie in der Mitte des Langhauses vor dem geschwungen Gitter und dem mit Stuckmarmor geschmückten Unterteil des Gnadenaltars. Zweifelsohne das Prunkstück der gesamten Kirche. Ein Baldachin überwölbt den Altar und gibt den Blick frei auf den Hochaltar im Chor.
Von den Vierzehn Nothelfern sind zwölf in drei Etagen übereinander nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Die drei Frauen Margareta, Barbara und Katharina die als Märtyrerinnen gelten, stehen an den seitlichen Altären. Nun erklärte Pater Johannes, dass zu den Nothelfern Bischöfe, Ritter, ein Mönch, ein Diakon und der Christusträger Christophorus gehören. Berta unterbrach den Pater mit der Bitte ihr doch die Namen aufzuschreiben, denn das könne sie nicht alles behalten und sie wolle doch ihrer Schwester davon erzählen. Pater Johannes beruhigte sie, in dem er ihr versicherte, er werde ihr ein paar Unterlagen mitgeben und sie dürfe auch gerne Fotos machen, was für Berta eine gute Gelegenheit und eine willkommene Freude war.
Pater Johannes war des Erklärens nicht müde, beantwortete alle Fragen die Berta Wilhelmine bewegten und die Zeit verging wie im Fluge. Vertieft in das Gespräch bemerkten die beiden gar nicht wie plötzlich Hochwürden hinter ihnen stand und mit seiner Senioren Stimme sagte.
„Aber Johannes, jetzt ist es genug! Du bringst meine Berta noch total durcheinander. Außerdem habe ich Durst und muss mir doch noch den Nothelfer Trunk genehmigen. Wie sieht es aus, kommst du mit?“
„Das war mir schon klar, als ich dich hier sah, wegen dem Nothelfer Trunk bist du gekommen und nicht wegen mir und schon gar nicht wegen der Heiligen hier“, antwortete Pater Johannes lachend.
„Auf, lass uns gehen, bevor ich es mir noch anders überlege. Aber eine Brotzeit gehört auch dazu“, setze er noch nach.
Cornelius und Johannes gingen voraus zur Brauerei. Die frische Luft tat gut. Inzwischen hatten sie einen mächtigen Hunger und Durst. Berta verweilte noch ein wenig vor dem Eingang des Museums. Sie überlegte wie sie es anstellen könnte, dort hineinzukommen. Ihr Gedanke war, eines der angebotenen Bücher über die Basilika zu kaufen, das sie dann ihrer Schwester mitbringen wollte. Vielleicht konnte sie sich nach dem Essen, von der Brauerei kurz mal entfernen. Langsam schlenderte sie den kleinen Hügel nach oben. Hochwürden und der Patre standen bereits am Eingang und warteten auf sie.
Pfarrer Cornelius winkte ihr zu. Wahrscheinlich wollte er, dass sie sich ein wenig beeilen sollte. „Kommen sie Frau Berta,“ rief nun Pater Johannes, „ich habe uns eine nette Ecke reserviert, dass wir uns ungestört unterhalten können. Mir ist zu Ohren gekommen sie wären eine gute Köchin, da können sie sich ein wenig von der fränkischen Küche inspirieren lassen.“ Bei diesen Worten begann Berta Wilhelmine herzhaft zu lachen. “ Ach haben Hochwürden schon wieder aus dem Nähkästchen geplaudert und soll ich ihm zu Hause etwas mehr Fränkische Spezialitäten servieren. Da muss er sich aber sehr anstrengen und mich nie mehr verärgern“, setzte sie noch nach.
Hochwürden und Berta setzten sich. Pater Johannes ging an die Theke und gleich darauf verschwand er in der angrenzenden Küche. Die Bedienung brachte bereits schon das erste Bier und für Berta ein Radler. Allerdings bemerkte Berta sehr schnell, dass ihr Radler nicht alkoholfrei war. Hochwürden erklärte ihr, dass sie in der Fränkischen Schweiz so gut wie in keiner Lokalität und schon gar nicht in einer Brauerei ein Alkoholfreies Radler bekäme. Na ja, wird schon gut gehen, sonst schlafe ich einfach auf dem Heimweg im Auto, dachte sie. Hochwürden konnte sich sein lächeln nicht verkneifen.
Die Brotzeit die Pater Johannes organisiert hatte viel sehr üppig aus. Alle langten kräftig zu und es war eine Ilustere Runde wie Berta fand mit den beiden Pfarrern. Zu gerne hätte sie gewusst woher Hochwürden und Pater Johannes sich kannten. Doch sonst so beherzt, getraute sie sich nicht zu fragen. Vielleicht würde Pfarrer Cornelius ihr eines Tages mal etwas darüber erzählen. Langsam wurde es Zeit, dachte sie, dass wir weiter kommen. Wenn Hochwürden noch zum Fussball Spiel wollte und zuvor Kloster Banz auf dem Program hatte würde es eng werden. Doch es gefiel ihr hier auch sehr gut und was die beiden sich zu erzählen hatten war auch interessant. Nach und nach wurde Berta klar, die Gemeinsamkeiten konnten doch nur mit dem Studium der Beiden Geistlichen zusammenhängen. Aber wie sollte das gehen? Hochwürden war exakt von einer völlig anderen Fakultät wie Pater Johannes. Als die beiden begannen sich über Marburg, wo ihr Hochwürden sein Studium absolviert hatte, austauschten, war Berta Wilhelmine alles klar. Doch wie genau das zustande gekommen sein musste, das wollte sie zu einem geeigneten Zeitpunkt doch noch ergründen.
Inzwischen war die Zeit fortgeschritten und Pater Johannes sollte wieder zurück in die Basilika. Es gab wie er sagte noch viel für das anstehende Orgelkonzert vorzubereiten. Hochwürden noch ganz in den Erinnerungen und Gesprächen gefangen, mit einem Rest in seinem Bierglas, konnte sich noch gar nicht so recht vorstellen weiterzuziehen. Er fühlte sich hier ausgesprochen wohl. Berta machte ihm den Vorschlag sie werde noch einmal kurz in das Nebengebäude, in dem das Museum untergebracht ist, gehen. Sie könnten sich ja in etwa einer halben Stunde am Auto treffen, dann anschließend aus Zeitgründen gleich nach Lichtenfels weiter fahren. Pfarrer Cornelius war einverstanden und so zogen Berta Wilhelmine und Pater Johannes nach dessen Verabschiedung, gemeinsam in Richtung Kirche ab.
Unterwegs sah Berta den Augenblick gekommen um nach der Verbindung zwischen den beiden so ungleichen Geistlichen zu fragen. In wenigen Worten erzählte Pater Johannes wie es zu der Freundschaft zwischen ihm und Hochwürden gekommen war. Beide hatten sich in Marburg während ihres Studiums der Theologie kennengelernt. Pfarrer Cornelius hatte sich zusätzlich zu seinem Studium an der dortigen Universität für Hebräisch und Altgriechisch eingeschrieben. Nebenbei besuchte er noch andere Studiengänge. Was aber noch eine besondere Verbindung der beiden brachte, war die Tatsache, dass beide durch eine Zufall in der gleichen WG untergebracht waren. Dabei lernte Pater Johannes Cornelius kennen. Sie haben sich oft und viel ausgetauscht und trotz ihrer unterschiedlichen Konfessionen viele gemeinsame An- und Einsichten gefunden, die sie über all die Jahre zusammengeschweißt hat. Pfarrer Cornelius mit seiner großen Vorliebe für die Fränkische Schweiz und besonders für Vierzehnheiligen machte sich gelegentlich auf den Weg in die Basilika, um dort mit Pater Johannes alte Zeiten wieder aufleben zu lassen und gemeinsame Gespräche zu führen. Selbstverständlich durfte der Nothelfer Trunk und die Fränkische Brotzeit nicht fehlen.
Berta und Pater Johannes waren bereits wieder an der Basilika angekommen. Sie verabschiedeten sich voneinander, ohne nicht zuvor Pläne für einen Besuch im Pfarrhaus gemacht zu haben, bei dem Pater Johannes gerne mal die Küche von Berta probieren und kennenlernen wollte.
Bevor Berta nun noch einen Blick ins Museum werfen und das Buch für ihre Schwester besorgen wollte, ging sie noch einmal schnell in die Basilika. Sie hatte bei ihrem Rundgang eine besondere Entdeckung gemacht. Sie wollte sich in der hinteren Ecke einen der Beichtstühle näher ansehen und ein Foto davon machen. Dieser war zweckentfremdet und als Putzkammer der „Heiligkeiten“ wie sie es nannte umfunktioniert worden. Im Innenbereich des Beichtstuhls waren sämtliche notwendige Putz Utensilien verstaut worden. Darüber befand sich eine süße wohlgenährte Putte. Diese Knabenfiguren schon aus der Antike bekannt, wurde später vielfach im Barock und Rokoko als schmückenden Beiwerk, sozusagen als ein Engel in Kindergestalt meist singenden den unterschiedlichsten Stellen angebracht. Ihre Wurzeln befinden sich nicht in der Christlichen Religiösen Kultur aber durch ihre Verkörperung von Leichtigkeit und Jugendlichkeit wurden sie in die christliche Symbolik einbezogen. Hier über diesem Putzbeichtstuhl hatte die Putte sogar noch einen vielsagenden Text bei sich. Für wen nun diese und auch welche Missetat hier gemeint zu sein scheint …..das bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.
Als Berta zum Auto kam, stand Hochwürden schon bereit. Plötzlich hatte er es ein wenig eilig. So nebenbei meinte er, dass es wohl völlig egal wäre, welchen Weg sie nun einschlagen würden um nach Lichtenfels zu kommen. Auf alle Fälle müssten sie noch am Kloster Banz vorbei, das wäre Pflicht, nachdem sie Vierzehnheiligen gesehen hatte. Also fügte Berta sich. Außerdem war ihr das Fußballspiel so oder so egal. Berta saß bereits zur Abfahrt im Auto, während Pfarrer Cornelius noch fast wie meditativ wie es ihr schien vor der Kirche stand und sie lange betrachtete.
Ein Gedanke zu “Hochwürden geht auf Wallfahrt (11)*”
Meine Tochter, du erzählst gut! Ich habe deinen Bericht mit großem Vergnügen gelesen. Es ist zwar nicht alles wahr, was du da über mich schreibst, aber gekonnt erfunden.
Liebe Grüße
Hochwürden