Die gelbe Sonnenbrille *

Für Jochen

„He, du da, musst nicht weinen sagte die Bank zur Sonnenbrille. Die werden dich schon abholen. Die Beiden waren, als sie weggelaufen sind, so ins Gespräch vertieft, dass sie gar nicht bemerkt hatten, dass du hier auf meiner Sitzfläche liegengeblieben bist.“ Während die Bank das sagte, wurde das Schluchzen der Sonnenbrille immer lauter.“ Die haben mich einfach vergessen, nein ignoriert, sagte die Brille zur Bank. Und dann glaubst du, dass die Beiden wieder zurückkommen werden und mich suchen.“ „Klar!“ sagte die Bank….. „mach dir keinen Kopf“, entgegnete sie der Brille, die in der Sonne richtig glänzte. Sie war eine wunderschöne Lady und das wußte sie. Der gelbe Rahmen im inneren bei den Gläsern leuchtete richtig in der Abendsonne. Aber die Gläser waren im Augenblick matt und feucht, vom weinen.

„Jetzt hör schon auf zu Jammern“, grunzte die Bank, der das Schluchzen und Klagen langsam auf den Wecker ging. „Die Beiden werden bestimmt nochmal zurück kommen“, sagte sie noch beiläufig. „ Die Frau in ihrem bunten Sommerkleid kann bestimmt nicht auf dich verzichten“. Du passt so schön zu dem hübschen Kleid, dachte sich die Bank, sagte aber nichts mehr, während sie sich zur Seite drehte. Gerade kamen ein paar Radler auf sie zu. Wenn sie sich, oder die Sonnenbrille jetzt, hätte unsichtbar machen können, wäre sie richtig glücklich gewesen. Sie war fest davon überzeugt , dass das Paar vom Nachmittag wieder zurück kommen würden um die Brille abzuholen. Während die Bank sich noch dem Gedanken hingab wie sie die Brille aus dem Sichtkreis der Radler bringen könnte, waren die jungen Leute bereits an ihr vorbei geradelt. Die brauchen keine Bank, die sind fit und wollen weiter, ginge es ihr durch alle Poren ihres Bretter. Sie seufzte laut, dass vor schreck die Brille plötzlich vergaß zu Schluchzen. „ Man oh man, hör auf zu heulen, die kommen sicher noch um dich zu holen. Mit deinem Geschluchze hättest du beinahe die Radler auf uns aufmerksam gemacht; und wenn es dumm gelaufen wäre hätte die junge Frau dich bestimmt mitgenommen. Und dann wärst du für immer und ewig bei den Fremden Leuten gewesen.“ Jetzt mache ich mir auch schon einen Kopf wegen der vergessenen Brille, dachte die Bank.

Die Zeit ging viel zu langsam für die beiden und schon sah man dass die Sonne langsam über dem See abtauchte. Die Bank war sich sicher, dass die Beiden wieder zurückkommen werden und die „Jammertasche“ abholen würden. Es war nur eine Frage der Zeit. Vielleicht wenn es dumm läuft erst morgen. Wenn bis dahin niemand hier vorbei kommt und die Brille sieht und sie dann mitnimmt, ist ja alles gut. Der Mann und die Frau waren schon eine Weile mit dem Auto weggefahren, also mussten sie auch wieder mit dem Auto zurückkommen ging es der Bank durch ihre Sitzbretter.

Von dem Gejammer der Sonnenbrille müde geworden, nickte die Bank ein wenig ein, aber nur soviel, dass sie alles sofort wahrnehmen konnte, was in ihrer Nähe vor sich ging. Ein Traktor nach dem andern fuhr vorüber, dann noch ein paarmal ein Auto, dann war es endlich still.

Die Bank hätte viel zu gerne Mäuschen gespielt, um mitzubekommen, was sich in dem Auto zwischen dem Mann und der Frau für ein Gespräch entwickelte. Ob sie bemerkten, dass sie die Brille vergessen hatten oder vielleicht doch nicht. Auf jeden Fall , das einzige, was die Bank wusste war, dass sie nun mit einer jammernden Brille hier alleine in der Abenddämmerung war und auch nicht genau wusste, ob noch einmal der Mann oder die Frau zurückkommen würden um sie, die Bank, von dem Korpus Delikte zu erlösen. Aber egal, Hauptsache die „Heulsuße“ blieb still.

Langsam schlich die Zeit dahin,, die „gelbe Schönheit“ war von ihrem Gejammer so erschöpft, dass sie doch glatt auf der Sitzfläche, wo sie die ganze Zeit lag, eingeschlafen war. Also dachte sich die Bank, das wäre doch auch eine gute Idee für sie, denn der lange Tag war angefüllt von immer wieder neuen Besuchern, die sich auf ihr niederliessen. Tag, aus Tag ein immer die Gespräche der auf ihr Ausruhenden mithören zu müssen, ist auch nicht immer gerade aufbauend oder wie sie immer die Leute reden hörte, das gelbe vom Ei. Also zog sie ihre steifen Beine ein wenig mehr zu sich heran, rückte die Rückenlehne ein wenig mehr in Ruheposition und schloss die Augen. Kaum war das Geschehen, schnarchte sie auch schon leise vor sich hin.

Schnell rutschte die Beste in einen ihrer Träume. All die vielen Geschichten der Menschen die sich auf ihr ausruhten hinterließen immer ein wenig in ihrer Phantasie Fragmente, die dann wieder in ihren Träumen auftauchten. Aber heute war es anders. Sie rutschte, kaum die Augen geschlossen in sowas wie einen Albtraum. Sie sah die Dame in dem bunten Kleid vor sich wie die plötzlich in Hektik ausgebrochen verzweifelt nach ihrer Brille suchte. Weder im Auto, noch in ihrem Rucksack war sie zu sehen. Das was die Bank dabei nicht aus der Ruhe bringen konnte, war die Ruhe und Besonnenheit des Mannes in ihrem Traum. Die Suche endete damit, dass der Begleiter versuchte die Frau davon zu überzeugen wieder zurückzufahren um nachzusehen ob die Brille, was er in seinem Innern fest glaubte, noch da sein müsste. Er war sich so sicher, dass er nach einiger Zeit die Frau überzeugen konnte, umzukehren und nachzusehen ob die Brille noch auf der Bank liege. Während sich die Bank in ihrem Traum noch ausmalte wie das Paar hierher wieder zurückkomme und die Brille wieder finden würden, fuhr sie erschrocken hoch, geweckt von einem erneuten Aufschrei der Brille. Ach Gott dachte sie im ersten Augenblick …. Jammern hilft auch nichts nur warten….

Als ihr plötzlich klar wurde dass das Schreimonster jammerte diesmal nicht., sondern war in Jubellaune. Sie war wohl in ihrem Kummer erwacht und starte in Richtung Parkplatz, der inzwischen völlig leer war und erkannte sofort das herannahende Auto. Also kommen sie zurück und das entlockte der gelben Schönheit diese euphorische Geschrei, bei dem die Bank aus ihren Träumen gerissen wurde. Nun sah auch die Bank in die Richtung des Parkplatzes und erkannte die Frau in dem bunten Kleid wie sie in schnellen Schritten auf sie zukam. Der Mann blieb in der Nähe des Autos zurück und wartete offensichtlich auf ein Zeichen.

Das gelbe verheulte Etwas auf der Sitzfläche der Bank begann plötzlich erneut wieder in Tränen auszubrechen, das aber gleichzeitig in einem fröhlichen Lachen unterging. „Hör jetzt endlich auf, sagte nun die Bank zu der mit verschmierten Gläsern und in Erwartung zitternden Brille. „ Gleich wirst du abgeholt, mach dich mal ein bisschen zurecht. So verheult kannst du dich nicht sehen lassen.“

Die Frau kam näher und von weitem sah man wie sie beinahe erregt auf die Bank zustürmte. Sie hatte die Brille entdeckt und zwei oder auch drei kleine Perlen rannten ihr aus dem Augenwinkel über die Wangen. Sie fasste beherzt die Brille während sie laut zu ihr sagte: „ Gott sei Dank , dass du noch da bist. Ich hatte so einen Bammel, als ich dich nicht mehr im Auto und in meiner Tasche gefunden habe. Sei froh, dass Jochen so hartnäckig war und darauf bestanden hat hierher zurück zufahren. Er war fest davon überzeugt , dass wir dich hier vergessen hatten und vor allem, dass du noch da bist.“ Mit diesen Worten nahm sie die Gelbe Schönheit an sich, drehte sich in RIchtung Parkplatz und schwenkte beide Arme als Zeichen dafür, dass sie die Brille gefunden hatte. Dann strich sie noch kurz mit der anderen Hand über die Sitzfläche der Bank und lief zurück.

Tschüss und mach‘s gut und pass auf, das du nicht wieder verloren gehst oder liegenbleibst., „süßer gelber Sonnenschein!“ Aber die Brille war so glücklich, dass sie das im ersten Augenblick gar nicht mehr richtig wahrgenommen hatte, was die Bank ihr nachrief. „Ja, so ist die Welt und die heutige Jugend ….. ein Dankeschön wäre schön gewesen“, sagte die Bank noch vor sich hin, bevor sie sich der nun wundervollen Abendstille und dem Sonnenuntergang hingab. Das war für sie jeden Tag das schönste Erlebnis des Tages.

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